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02_Inhalt_183-302 31.01.2005 7:18 Uhr Seite 237 Rempfler · FIFA-Reglement als anationales materielles Recht? FIFA-Reglement als anationales materielles Recht?
Lic. iur. Christa Rempfler, St. Gallen Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen hat die Klage Streitigkeit dem «Schiedskomitee» der FIFA zu unter- einer in der Schweiz domizilierten Spielervermittlungs- agentur (deren Inhaber die vom Schweizer Fussballver- «Nach Art. 22 des Spielervermittler-Reglements band, SFV, ausgestellte Vermittlerlizenz besitzt) gegen sind internationale Streitigkeiten zwischen einem Ver- einen ausländischen Fussballverein abgewiesen mit der ein und einem Spielervermittler der Spielerstatut- Begründung, die dreieinhalb Jahre zurückliegende Pro- Kommission der FIFA zu unterbreiten (Art. 22 Abs. 1 e visionsforderung sei, gestützt auf Art. 22 Abs. 3 des contrario und Art. 22 Abs. 2). Der Wortlaut dieser Be- FIFA-Spielervermittler-Reglements vom 10.12.2000, ver- stimmung «ist zuständig» lässt sich nicht dahingehend wirkt. Dieser Entscheid wird nachfolgend kurz ge- deuten, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit würdigt (Handelsgericht des Kantons St. Gallen vom Spielervermittlung zwingend und ausschliesslich der 12.11.2004 / HG.2003.10-HGK; noch nicht rechtskräftig FIFA zu unterbreiten sind. Da die FIFA-Schiedskom- – der Weiterzug an das Bundesgericht ist erfolgt).
mission nicht zwingend angerufen werden muss, ist«das Gericht» in St. Gallen zuständig.» Sachverhalt
[III. 1.] Die Parteien haben im Vertrag vom 16.8.1999 unter Ziffer 3 rechtsgültig eine kumulative Rechtswahl Am 16.8.1999 schlossen die Klägerin (Spielervermitt- getroffen und somit das Regelwerk der FIFA («FIFA lungsagentur) und der Beklagte, ein ausländischer rules») und das schweizerische Recht als anwendbar Fussballclub, einen Vertrag ab. Gegenstand dieser Ver- einbarung war der Transfer des von der Klägerin ver- [III. 2.] Es stellt sich die Frage, ob das FIFA-Regel- tretenen Spielers X. Es wurde vereinbart, dass der Be- werk als anationales Recht Gegenstand einer Rechts- klagte bis am 30.9.1999 USD 15 000.– und bis am 30.12.1999 weitere USD 15 000.– bezahlt, wenn der «Im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird Arbeitsvertrag bis 30.6.2000 verlängert wird. Wird der teilweise abgelehnt, dass anationales Recht gewählt Arbeitsvertrag um zwei weitere Jahre bis 30.6.2002 werden kann, mit dem Argument, dass ein hoheitlich verlängert, so hat der Beklagte weitere USD 30 000.– eingesetztes Gericht immer staatliches Recht anzuwen- bis am 30.12.2000 und nochmals USD 30 000.– bis am den habe (VISCHER, Internationales Vertragsrecht, Bern 1962, S. 62; HEINI, Festschrift für Prof. Dr. Rudolf Mo- Am 5.2.2003 reichte die Klägerin Klage gegen den ser (Hrsg. Schwander), Zürich 1987, S. 71 f.; KNOEPF- Beklagten auf Bezahlung von USD 15 000.– nebst 5% LER, Le contrat dans le nouveau droit international Zins seit 30.9.1999, von USD 15 000.– nebst 5% seit privé suisse, in: Dessemontet (Hrsg.), Le nouveau droit 30.12.1999 und USD 30 000.– nebst 5% Zins seit international privé suisse, Lausanne 1988, S. 87); von 30.12.2000 beim Handelsgericht des Kantons St. Gal- anderen aber bejaht (PATOCCHI, Das neue internationale Vertragsrecht der Schweiz, in: Schriftenreihe SAV Bd.
Der Beklagte blieb dem Prozess fern und behauptete 7, S. 36). Von SIEHR und AMSTUTZ / VOGT / WANG wird demnach weder Verjährung noch Verwirkung. die Meinung vertreten, dass für staatliche Gerichte dieWahl ausserstaatlichen Rechts präzise sei, wenn in der Zusammenfassung der Erwägungen
konkreten Materie hinreichende Quelle für ein interna-tionales Recht des Welthandels, für ein «new law mer- [II. 2.] Das Handelsgericht hat bezüglich Zuständigkeit chant» oder ein transnationales Recht vorhanden seien entschieden, dass es nicht zwingend erscheine, diese (SIEHR, Festschrift für Max Keller zum 65. Geburtstag causa sport 3/4/2004
02_Inhalt_183-302 31.01.2005 7:18 Uhr Seite 238 Rempfler · FIFA-Reglement als anationales materielles Recht? (Hrsg. Forstmoser), Zürich 1999, S. 501 f.). Wenn Allerdings enthält das Spielervermittler-Reglement Rechtsgrundsätze, die eine dem Rechtssicherheitsge- für die Regelung von Streitigkeiten über nicht bezahlte danken genügende innere Kohärenz sowie einen dem Vermittlungsgelder keine materielle Bestimmungen.
Postulat der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung tragen- Es ist aber geregelt, dass «Beschwerden» innerhalb den materiellen Gehalt aufweisen wie z.B. die von zwei Jahren nach dem Vorfall bei der Spielerstatut- UNIDROIT Principles, so sei eine solche Verweisung Kommission vorzulegen sind. Diese Frist ist als Ver- zuzulassen (AMSTUTZ / VOGT / WANG, Kommentar zum wirkungsfrist zu betrachten. Die Verwirkung ist inso- schweizerischen Privatrecht, Basel 1996, Art. 116 N fern von der Verjährung zu unterscheiden, als dass erstere zum Untergang des betreffenden Rechts führt, Das FIFA-Regelwerk kann insoweit den UNIDROIT letztere zum Verlust der Durchsetzbarkeit (GAUCH / Principles gleichgestellt werden, da es sowohl eine ge- SCHLUEP /SCHMID /REY, Schweizerisches Obligationen- nügende innere Kohärenz als auch einen materiellen recht Allgemeiner Teil, Bd. II, Zürich 2003, N 3574).
Gehalt aufweist, der dem Postulat der Einzelfallgerech- Art. 22 Abs. 3 des Spielervermittler-Reglements ist tigkeit sicherlich Rechnung trägt. Zudem kann ihm derart formuliert, dass nach zwei Jahren «Beschwer- auch «Transnationalität» zugeschrieben werden, da der den» nicht mehr unterbreitet werden können, was FIFA weltweit nationale Verbände angehören, die Kraft einem Verlust des subjektiven Rechts gleich kommt.
ihrer Mitgliedschaft die Statuten, Reglemente und Ent- Diese Regelung erscheint nachvollziehbar, da es sich scheide der FIFA zu befolgen haben (Art. 10 Abs. 4 bei der Spielervermittlertätigkeit um ein schnelllebiges Geschäft handelt und die FIFA ein Interesse hat, Strei- [III. 3.] Aufgrund dieser gültigen Rechtswahlverein- tigkeiten in diesem Bereich rasch zu erledigen. Zudem barung hat das Handelsgericht St. Gallen grundsätzlich dürfte es kaum im Sinne der FIFA sein, wenn Art. 22 nicht nur schweizerisches Recht, sondern auch das Abs. 3 des Spielervermittler-Reglements so interpre- FIFA-Regelwerk zu berücksichtigen. Bezüglich der tiert würde, dass die Beschwerden in den ersten zwei streitigen Forderung ist genauer zu untersuchen, ob das Jahren der Spielerstatut-Kommission und danach staat- FIFA-Regelwerk als lex specialis eine adäquate Rege- lichen Gerichten zu unterbreiten sind.
lung enthält oder ob allenfalls die Anwendung von [III. 4.] Angesichts des Vorrangs des FIFA-Regel- schweizerischem Recht im unterbreiteten Fall passen- werks gegenüber dem schweizerischen Recht greift Art. 22 Abs. 3 des Spielervermittler-Reglements und Das speziell für die Spielervermittlung erlassene somit auch die zweijährige Verwirkungsfrist im vorlie- FIFA-Reglement ist gegenüber dem schweizerischen genden Fall. […] Im Zeitpunkt der Klageeinreichung Recht als lex specialis ausgestaltet.
am 5.2.2003 war die zweijährige Verwirkungsfrist be- In Art. 22 des Spielervermittler-Reglements vom reits abgelaufen, womit die Klage abzuweisen ist.» 10.12.2000, welches die Tätigkeit von Spielervermitt-lern regelt, wird festgehalten, dass bei Streitigkeiten Bemerkungen
zwischen einem Verein und / oder einem zweiten Spie-lervermittler und einem Spielervermittler, die beim Anationales Recht als Gegenstand einer
gleichen Verband registriert sind (nationale Streitigkei- Rechtswahl im Sinne von Art. 116 IPRG?
ten), der betroffene Verband zuständig ist (Abs. 1).
Jede andere Beschwerde, die nicht unter Abs. 1 fällt, ist Zu der in der Lehre fraglichen und umstrittenen Frage, der Spielerstatut-Kommission der FIFA zu unterbrei- ob lediglich staatliches Recht oder aber auch anationa- ten. Weiter sind die Beschwerden im Zusammenhang les Recht (z.B. «general principles of law», internatio- mit der Tätigkeit eines Spielervermittlers in schrift- nale Handelsbräuche, «equity», «new law merchant», licher Form an den zuständigen Nationalverband bzw.
lex mercatoria usw.) Gegenstand einer Rechtswahl im an die FIFA zu richten. Solche Beschwerden sind bis Sinne von Art. 116 Abs. 1 IPRG sein kann, zitiert das spätestens zwei Jahre nach den ihr zugrunde liegenden Gericht zum einen die Lehrmeinungen von VISCHER, Vorfällen und auf jeden Fall binnen sechs Monaten, HEINI und KNOEPFLER (vgl. hierzu HEINI, Festschrift für nachdem der betreffende Vermittler seine Tätigkeit Prof. Dr. Rudolf Moser (Hrsg. Schwander), Zürich 1987, S. 71, der diese Frage gar als juristischen «outer- causa sport 3/4/2004
02_Inhalt_183-302 31.01.2005 7:18 Uhr Seite 239 Rempfler · FIFA-Reglement als anationales materielles Recht? space» betrachtet). Diese Autoren lehnen die Wahl die Parteien jede effektiv heute geltende staatliche ausserstaatlichen Rechts (mit weiteren Literaturhin- Rechtsordnung zur Anwendung auf ihren Vertrag her- weisen) im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit anziehen. Die Beschränkung auf geltende staatliche vor allem mit dem Argument ab, dass der hoheitlich Rechtsordnungen ergibt sich aus der Grundlage der eingesetzte Richter verpflichtet sei, stets und immer Rechtswahlmöglichkeit im nationalen IPR; die Kolli- staatliches Recht anzuwenden. Wird diese Lehrmei- sionsregeln des IPR lösen den Konflikt, der durch die nung eingehender betrachtet, stösst man insbesondere Kollision verschiedener staatlicher Rechtsordnungen auf die Ausführungen von VISCHER / HUBER / OSER: Ist entsteht; mit der Rechtswahl können die Parteien zur Entscheidung der Streitsache ein staatliches Ge- nichts anderes herbeiführen als es die IPR-Gesetzge- richt zuständig, wird die Vereinbarung von ausserstaat- bung könnte. Weder kann auf ausser Kraft getretene lichem Recht in der Lehre vorwiegend für ungültig noch auf künftige staatliche Gesetze verwiesen werden erachtet. Insbesondere wird geltend gemacht, das inter- (ausser das intertemporale Recht der betreffenden na- nationale Privatrecht schreibe die Anwendung von tionalen Privatrechtsordnung lasse dies zu), noch kann «Recht» vor, worunter allein die von einem Staat oder m.E. generell auf ausserstaatliche Normen (sog. lex der Staatengemeinschaft erlassenen Normen zu verste- mercatoria, Handelsbräuche der Branchen usw.) ver- hen seien. Erst durch die staatliche Anerkennung wer- wiesen werden (SCHWANDER, Einführung in das inter- den Normen die Eigenschaft von Recht verliehen. Ana- nationale Privatrecht, Zweiter Band: Besonderer Teil, tionales Recht sei allenfalls in einem soziologischen 2. Aufl., St.Gallen / Lachen SZ, 1998, Rn. 489).
Sinne eine eigenständige Rechtsordnung. Für eine An- Trotz diesen teils selbst zitierten Lehrmeinungen erkennung der im internationalen Handel massgeb- ging das Handelsgericht davon aus, dass das FIFA- lichen Grundsätze als Recht im juristischen Sinne feh- Regelwerk als anationales Recht Gegenstand einer le es dagegen an einer inhaltlichen Kontrolle durch Rechtswahl sein kann. Unter Berufung auf die Meinun- den staatlichen Souverän, worauf kein Staat verzichten gen von PATOCCHI, AMSTUTZ / VOGT / WANG und SIEHR dürfe. Mangels des Charakters einer eigentlichen führte das Gericht aus, dass das FIFA-Regelwerk inso- Rechtsquelle befinde man sich beim Komplex der lex weit den UNIDROIT Principles gleichgestellt werden mercatoria im Bereich von Billigkeitsentscheidungen; könne, da es sowohl eine genügende innere Kohärenz eine Befugnis zur Entscheidung nach Billigkeit stehe als auch einen materiellen Gehalt aufweise, der dem staatlichen Gerichten aber gerade nicht zu (VISCHER / Postulat der Einzelfallgerechtigkeit sicherlich Rech- HUBER / OSER, Internationales Vertragsrecht, 2. überar- nung trage. Zudem könne ihm auch «Transnatio- beitete Aufl., Bern 2000, Rn. 118 m.w.H.). Die Vertre- nalität» zugeschrieben werden, da der FIFA weltweit ter der streng positivistischen Auffassung leugnen die nationale Verbände angehören, die Kraft ihrer Mit- Eignung von «privatisiertem» Recht als parteiautonom gliedschaft die Statuten, Reglemente und Entscheide berufenem Vertragsstatut zudem aus materiellen Erwä- der FIFA zu befolgen hätten (Art. 10 Abs. 4 FIFA-Sta- gungen. Vorgeworfen wird dem «privatisierten» Recht ein Mangel an Voraussehbarkeit, die Lückenhaftigkeit In kritischer Würdigung dieser gerichtlichen Erwä- seiner Normen und die daraus folgende Unmöglich- gungen ist vorweg zu beachten, dass gemäss Art. 1 keit, die Verhaltens- und Leistungspflichten nach ihm Abs. 1 der FIFA-Statuten die FIFA ein im Handels- auszurichten. Dazu komme die Unfähigkeit eines der- register eingetragener Verein im Sinne der Art. 60 ff.
artigen Rechts, auf einen angemessenen vertraglichen des schweizerischen Zivilgesetzbuches ist. Somit han- Interessenausgleich, insbesondere zum Schutz Schwä- delt es sich bei der FIFA um einen privatrechtlichen cherer, hinzuwirken. Vor allem die Geltung des Klau- Verein, der schweizerischem Recht untersteht. Gestützt selrechts, der lex mercatoria, führe im Ergebnis dazu, auf Art. 17 Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen zu dass den Vertragsbedingungen der marktmächtigeren den FIFA-Statuten hat das Exekutivkomitee der FIFA Partei einseitig zum Durchbruch verholfen werde (VI- am 10.12.2000 das hier zu würdigende Spielervermitt- SCHER / HUBER / OSER, a.a.O., Rn. 119 m.w.H.). Zu der ler-Reglement erlassen. Bei Durchsicht dieses ledig- hier umstrittenen Frage, welche Rechtsordnungen im lich 28 Artikel umfassenden Reglements ist ersichtlich, Rahmen von Art. 116 IPRG wählbar sind, äussert dass darin vorwiegend rein formelle Fragen und blosse sich SCHWANDER wie folgt: Durch Rechtswahl können Grundsätze geregelt werden, wie bspw. die Vorausset- causa sport 3/4/2004
02_Inhalt_183-302 31.01.2005 7:18 Uhr Seite 240 Rempfler · FIFA-Reglement als anationales materielles Recht? zungen zur Lizenzerteilung. Geht das Gericht deshalb enthalte für die Regelung von Streitigkeiten über nicht nicht zu weit, indem es eine innere Kohärenz und einen bezahlte Vermittlungsgelder keine materiellen Bestim- materiellen Gehalt des FIFA-Regelwerkes bejaht, wel- mungen. Diese zentrale Frage ist somit vom Gericht ches dem Postulat der Einzelfallgerechtigkeit genü- gend Rechnung trage? An diesem fehlenden materiel-len Gehalt ändert auch die unbestrittene Tatsache FIFA-Reglement als lex specialis?
nichts, dass der FIFA weltweit nationale Verbändeangehören und somit in einem gewissen Sinne von Selbst wenn man der vom Gericht herangezogenen einer «Transnationalität» gesprochen werden kann.
Lehrmeinung folgen würde und somit das FIFA-Regle- Das Gericht möchte somit eine vom Inhalt her nur vage ment als anationales Recht Gegenstand einer Rechts- definierte Ordnung anwenden. Diese geschilderten Be- wahl sein könnte, bleibt fragwürdig, weshalb das Gericht denken müssen gar noch verstärkt werden, da das dem FIFA-Reglement gegenüber dem schweizerischen FIFA-Reglement nicht mit der SIA-Norm 118 ver- Recht lex specialis-Charakter zuschreibt. Im Urteil glichen werden kann, welche unter Mitwirkung öffent- heisst es dazu ohne Begründung: «Das speziell für licher Stellen ausgearbeitet wurde, von GAUCH aber die Spielervermittlung erlassene FIFA-Reglement ist trotzdem deutlich als «Regelwerk eines privaten Ver- gegenüber dem schweizerischen Recht als lex specialis eins» qualifiziert wird. Zudem führt GAUCH weiter aus, dass die SIA-Norm 118 keine allgemeine Verbindlich- Dieser angebliche lex specialis-Charakter des keit im Sinne eines Gesetzes oder einer Verordnung FIFA-Reglements gegenüber dem schweizerischen habe und auch keine Rechtsquelle eigener Art sei, ob- Recht vermag v.a. bei Betrachtung des Sinns und wohl sie unter Mitwirkung öffentlicher Stellen des Zwecks des Spielervermittler-Reglements, insbeson- Bundes und der Kantone ausgearbeitet worden sei dere des hier umstrittenen Art. 22 [Streitigkeiten], (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. Aufl., Zürich 1985, Rn.
nicht zu befriedigen. Abs. 1 dieses Artikels regelt das 219–221 und Rn. 238). Somit ist das FIFA-Reglement hier nicht relevante Vorgehen bei nationalen Streitig- als ein spontanes, unfertiges, in ständiger Entwicklung keiten. Jede andere Beschwerde, die nicht unter Abs. 1 stehendes Normgefüge zu betrachten. Bezeichnender- fällt, ist der Spielerstatut-Kommission der FIFA zu weise ist deshalb bis heute wenig bis nichts auf dem unterbreiten (Abs. 2). Schliesslich regelt Art. 22 FIFA-Rechtsgebiet kodifiziert bzw. kommentiert.
Abs. 3 des FIFA-Reglements, dass Beschwerden im Zu- Wie gezeigt, beruft sich das Gericht bei der Begrün- sammenhang mit der Tätigkeit eines Spielervermitt- dung dieser umstrittenen Frage u.a. auf AMSTUTZ / VOGT / lers in schriftlicher Form an den zuständigen Natio- WANG. Bei Betrachtung dieser Literaturstelle wird aber nalverband bzw. an die FIFA zu richten seien. Solche ersichtlich, dass selbst diese Lehrmeinung Verweisun- Beschwerden seien bis spätestens zwei Jahre nach den gen auf allgemeine Rechtsgrundsätze wegen ihres ho- ihr zugrunde liegenden Vorfällen und auf jeden Fall hen Unbestimmtheitsgrades als problematisch erachtet binnen sechs Monaten, nachdem der betreffende Ver- (AMSTUTZ / VOGT / WANG, in: Honsell / Vogt / Schnyder, mittler seine Tätigkeit aufgegeben habe, einzureichen.
(Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Mehr regeln Art. 22 und das gesamte FIFA-Reglement Internationales Privatrecht, Basel / Frankfurt am Main nicht. Ist nun diese Norm nicht als eine rein formell- 1996, N 21 zu Art. 116). Unter diesen Vorzeichen sind rechtliche, verfahrensrechtliche Norm zu verstehen, die Erwägungen des Gerichts eher fragwürdig. welche über den materiell-rechtlichen Inhalt der For- Schliesslich ist die gerichtliche Begründung bezüg- derung nichts aussagt und somit nicht als lex specialis lich der Frage, ob dem FIFA-Regelwerk materieller im materiell-rechtlichen Sinne verstanden werden Gehalt zukomme oder nicht, und deshalb als anationa- darf und kann? So besagt Art. 22 Abs. 3 des FIFA- les Recht Gegenstand einer Rechtswahl sein könne Regelwerks lediglich, dass die FIFA maximal zwei oder nicht, widersprüchlich ausgefallen. In der Erwä- Jahre nach den ihr zugrunde liegenden Vorfällen eine gung III. 2. bejahte das Gericht einen materiellen Ge- Spielerstatut-Kommission für Beschwerden im Zu- halt des FIFA-Regelwerks, in der Erwägung III. 3. letz- sammenhang mit der Tätigkeit eines Spielervermitt- ter Absatz führt das Gericht aber genau das Gegenteil lers zur Verfügung stellt. Ist die zweijährige Frist ab- aus, indem es heisst, das Spielervermittler-Reglement gelaufen, ist die FIFA für diese Beschwerden nicht causa sport 3/4/2004
02_Inhalt_183-302 31.01.2005 7:18 Uhr Seite 241 Rempfler · FIFA-Reglement als anationales materielles Recht? mehr zuständig und somit das FIFA-Reglement nicht berücksichtigen. Im vorliegenden Fall handelt es sich mehr anwendbar. Über die Anwendbarkeit bzw.
aber gerade um eine Forderung, nämlich um ausste- Nichtanwendbarkeit des schweizerischen Rechts sagt hende Provisionszahlungen, weshalb die Annahme einer Verwirkungsfrist fraglich ist. Auch das Argumentdes Gerichts, dass es sich bei der Spielervermittlertä- Art. 22 Abs. 3 des FIFA-Spielervermittler-
tigkeit um ein schnelllebiges Geschäft handle und die Reglements als Verwirkungsbestimmung?
Regelung in Art. 22 Abs. 3 des FIFA-Reglements nach-vollziehbar und im Interesse der FIFA liege, vermag Doch selbst wenn dem FIFA-Reglement sogar lex spe- eine Verwirkungsfrist nicht zu begründen. Denn auf cialis-Charakter zukommen sollte, ist weder aus dem der anderen Seite kann das Reglement auch rein for- Reglement noch aus der Begründung des Gerichts er- mell und zwar dahingehend verstanden werden, dass sichtlich, weshalb die zweijährige Frist in Art. 22 Abs.
die FIFA zwei Jahre lang eine Kommission für Streitig- 3 des Reglements eine Verwirkungsfrist sein soll. Zum keiten zur Verfügung stellt, welche nach Ablauf dieser einen äussert sich das Reglement weder zur Verjährung Frist nicht mehr angerufen werden kann. Ist diese zwei- noch zur Verwirkung. Zum andern sagt das rein for- jährige Frist abgelaufen, so hat sich die FIFA nicht mell-rechtliche Reglement – wie bereits erwähnt – nichts mehr um diese Streitigkeiten zu kümmern und ist des- Materielles darüber aus, wenn die «Beschwerde» erst halb auch nicht davon betroffen bzw. interessiert, ob nach zwei Jahren nach dem Vorfall bei der Spielersta- die Forderung danach staatlichen Gerichten unterbrei- tut-Kommission vorgelegt wird. Das Reglement be- tet werden kann oder nicht. Es bleibt unklar, weshalb stimmt lediglich, dass in diesem Falle die Spielerstatut- nach Meinung des Gerichts deshalb eine Verwirkungs- Kommission der FIFA nicht mehr zuständig ist. Indem frist vorliege, weil es kaum im Sinne der FIFA sein das Gericht daraus aber sogleich implizit folgert, dass könne, Art. 22 Abs. 3 des Reglements dahingehend zu dies einem Verlust des subjektiven Rechts gleich- interpretieren, dass Beschwerden in den ersten zwei komme und somit diese zweijährige Frist als Verwir- Jahren der Spielerstatut-Kommission und danach staat- kungsfrist zu betrachten sei, ist fragwürdig und vermag lichen Gerichten zu unterbreiten seien. Schliesslich nicht zu überzeugen. Zur Begründung dieser doch führte das Gericht in der Erwägung II. 2. selbst aus, wichtigen Frage verweist das Gericht lediglich auf eine dass diese Streitigkeit nicht zwingend dem Schieds- Literaturstelle und zwar auf GAUCH / SCHLUEP / SCHMID / komitee der FIFA zu unterbreiten sei. Im Übrigen REY, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner verstösst es gegen schweizerische Rechtsgrundsätze, Teil, Bd. II, 8. Aufl., Zürich 2003, Rn. 3574. In dieser wenn im nationalen Recht eine Provisionsforderung vom Gericht herangezogenen Randnote heisst es aber nach zehn Jahren verjährt (Art. 412 Abs. 2 OR mit Ver- auch, dass der Verwirkung vor allem andere Rechte als weis auf Art. 394 ff. bzw. Art. 127 OR; BGE 81 II 365 Forderungen unterstehen. Vgl. hierzu auch die Faustre- E.3), bei der FIFA hingegen gemäss FIFA-Reglement gel, dass Forderungen verjähren und Gestaltungsrechte aber schon nach zwei Jahren verwirkt. Auch nach der verwirken (SCHWENZER, Schweizerisches Obligatio- bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den Allgemei- nenrecht, Allgemeiner Teil, Bern 1998, Rn. 83.05).
nen Geschäftsbedingungen bzw. zur Ungewöhnlich- Schliesslich heisst es in dem vom Gericht herangezo- keits- und Unklarheitsregel bleibt es somit mehr als genen Lehrbuch GAUCH / SCHLUEP / SCHMID / REY wei- fraglich, ob eine solche vage Bestimmung wie Art. 22 ter, der Richter habe die Verwirkung auch ohne Einrede des Spielervermittler-Reglements einen zehnjährigen im technischen Sinn (aber doch nur auf Antrag oder Rechtsanspruch gemäss staatlichem Recht zu beseiti- Behauptung des Schuldners hin) von Amtes wegen zu causa sport 3/4/2004

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