Nf akz nr. 66 _ aktueller stand der forschung.doc


In der Vereinszeitschrift der Von Recklinghausen Gesellschaft e.V. als Bundesverband
Neurofibromatose "NF- aktuell Nr. 66" vom August 2008 ist der nachfolgende Artikel erschienen. Er gibt einen aktuellen, umfassenden und verständlichen Überblick über NEUROFIBROMATOSE. Den Mitgliedern des Vereins stehen die NF-aktuell und damit die darin enthalten Informationen jeweils kostenlos zur Verfügung. Wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung wird dieser Artikel abweichend von der üblichen Praxis hier veröffentlicht und damit auch Nichtmitgliedern zugänglich gemacht. Die Vereinsmitglieder der VRG finanzieren unsere Arbeit über ihre Mitgliedsbeiträge – Nichtmitglieder können sich mit einer Spende erkenntlich zeigen.
Neurofibromatose und Wissenschaft
Ein Bericht über den aktuellen Stand der Forschung
(Bericht einer, von der VRG geförderten, Teilnahme an der NF Conference
06.- 10.06.2008 in Bonita Springs, Florida, USA) 1. NEUROFIBROMATOSE TYP 1
1.1 KUTANE NEUROFIBROME
1.2 INTERNE TUMORBILDUNG
1.3 MPNST
1.4 OPTIKUSGLIOM
1.5 SKOLIOSE UND PSEUDARTHROSE
1.6 LERNSCHWIERIGKEITEN
1.7 UNKLARE ROLLE DES GEFÄSSSYSTEMS
1.8 ERWEITERTE DIAGNOSTISCHE KRITERIEN
1.9 NEUE WEGE AUF DEM WEG ZUR THERAPIE VON NF
2. NEUROFIBROMATOSE TYP 2
3. SCHWANNOMATOSE
4. SCHLUSSBEMERKUNG

1. NEUROFIBROMATOSE TYP 1

Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist eine Krankheit aus dem Formenkreis der neuro-kardio- fazialen Syndrome, was bedeutet, dass die Erkrankung sowohl das Nervensystem als auch Herz und Gesicht betrifft. Mit einer Neuerkrankungsrate von 1:3000 zählt NF1 zu der häufigsten Erkrankung, bei der Betroffene eine genetische Veranlagung zur Tumorentwicklung aufweisen. NF1 beruht auf einer Mutation innerhalb des NF1-Gens. Die Hälfte der Betroffenen hat weitere betroffene Familienmitglieder. Bei der anderen Hälfte der Patienten tritt die Krankheit das erste Mal in der Familie auf. Kinder mit einem erkrankten Elternteil haben ein Risiko von 50% NF1 zu erben. Zu den Hauptsymptomen der NF1 zählen die gutartigen Neurofibrome - aufgrund derer die Erkrankung ihren Namen erhielt - sowie weitere typische Tumorbildungen, zum Beispiel am Sehnerven Die Café-au-lait-Flecke, Sommersprossenbildung im Bereich von Hautfalten und Irisknötchen auf der Regenbogenhaut sind nahezu bei allen NF1-Patienten nachweisbar und werden im Allgemeinen unter Pigmentierungsstörungen zusammengefasst. Eine weitere große Gruppe von Patienten weisen Lern- und Aufmerksamkeitsstörungen auf. NF1 ist durch das Auftreten von gutartigen Tumoren charakterisiert. Sie lassen sich anhand ihrer Lokalisation, Größe, Anzahl und Wachstumsgeschwindigkeit unterscheiden (oberflächlich, in der Haut, unter der Haut, tief im Körper, knotig, diffus). Bei manchen Patienten finden sich unzählige Hauttumoren, die wenigsten weisen wiederum keine Neurofibrome auf. Die Hautsymptome spiegeln beispielhaft die unterschiedlichen „Gesichter“ der Krankheitsausprägung wieder. Neurofibrome führen zur Entstellung von Betroffenen und werden oftmals aus diesen Gründen chirurgisch entfernt.
1.1 KUTANE NEUROFIBROME
In der Klinik und Forschung besteht nach wie vor die Schwierigkeit, kutane Neurofibrome objektiv in ihrer Anzahl zu erfassen. Objektive Aussagen sind notwendig, wenn man beispielsweise die Zusammenhänge zwischen Anzahl der Hauttumoren und anderen klinischen Symptomen der NF1 untersuchen möchte oder den Effekt von Medikamenten auf diese Tumoren beurteilen will. Es existiert eine Reihe von Methoden, um die Anzahl dieser Tumoren abzuschätzen. Sie beruhen im Grunde auf dem Prinzip, den Körper in Regionen einzuteilen, um dann stichprobenartig Hauttumoren innerhalb einer Region zu zählen und repräsentative Aussagen über den Tumorbefall der gesamten Haut zu treffen. Diese Zählverfahren sind zweidimensional. Eine dritte Tiefendimension, quasi in die Haut hinein, kann durch das bloße Auge nicht beurteilt werden, wodurch mögliche Tumoren im Initialstadium übersehen und nicht mitgezählt werden. Eine Arbeitsgruppe aus Alabama nutzt Oberflächenfotografie, Laser Scanning und Ultraschall zur Erfassung der Hauttumoren. Mittels dieser Geräte können die Untersucher die Tiefe der Tumorinfiltration beurteilen. Die Methode ist allerdings recht aufwändig und zeitintensiv. Sie liefert jedoch reproduzierbare und aussagekräftige Ergebnisse. Es bleibt abzuwarten, ob Wissenschaftler in der kommenden Zeit ein optimiertes Verfahren entwickeln können. Ohne entsprechende Methoden sind klinische Studien nicht sinnvoll durchzuführen.
1.2 INTERNE TUMORBILDUNG
Bei der klinischen Vorstellung der Patienten mit NF1 erfolgen in der Regel ein ärztliches Gespräch und eine anschließende körperliche Untersuchung. Oberflächlich wachsende Tumoren lassen sich mit dem bloßen Auge erkennen oder ertasten. Zur Darstellung und Überwachung von in der Tiefe wachsenden Tumoren wird heutzutage die radiologische Bildgebung herangezogen. Hierbei handelt es sich meist um so genannte plexiforme Neurofibrome, die im Gegensatz zu den umschriebenen Neurofibromen infiltrierende oder verdrängende Wachstumsmuster zeigen. Eine Arbeitsgruppe aus Boston und Hamburg stellte die Bedeutung der Ganzkörperkernspintomographie (MRT) bei NF1 dar. Die Darstellung mit Hilfe der MRT basiert auf Magnetfeldern und Magnetstärken. Der Patient wird im Liegen in eine MRT-Röhre gefahren, in der ein sehr starkes Magnetfeld besteht und aufrechterhalten wird. Die Wasserstoffionen im menschlichen Körper richten sich in diesem Magnetfeld alle in eine bestimmte Richtung aus. Um Körperstrukturen darzustellen, sendet der Tomograph Impulse, die bewirken, dass die Wasserstoffionen zurück in ihre Ausgangsposition fallen und hierdurch Signale in die Umgebung abgeben, die von einem MRT-Scanner erfasst und in ein Bildsignal umgewandelt werden. Der Patient wird während der Aufnahmen schichtweise durch den Scanner erfasst, so dass Bilder in einer Schichtdicke von ca. 1.0-3.0 cm entstehen. Das MRT hat den Vorteil, dass Patienten keiner schädlichen Strahlung ausgesetzt werden, wie beispielsweise beim Röntgen der Röntgenstrahlung. Das MRT wird prinzipiell eingesetzt, um Weichteile im Körper darzustellen. Tumoren lassen sich durch unterschiedliche Sequenzen und Aufnahmegewichtungen von den gesunden Umgebungsstrukturen hervorheben. Mehrere Forscher in den USA und die Arbeitsgruppe von Professor Mautner widmen sich unlängst der Volumetrie (dreidimensionale Erfassung) und Bestimmung der Ganzkörpertumorbelastung. Diese Analysen werden anhand von MRT-Aufnahmen und mit Hilfe von hierfür speziellen Computerprogrammen durchgeführt. Die Computerprogramme erfassen einfach zusammengefasst in jeder Serie die exakte Tumorausdehnung pro Bild. Das Volumen wird anschließend unter Berücksichtigung der Schichtdicke und mit Hilfe eines Algorithmus berechnet. In der Vergangenheit wurden Tumoren vor allen Dingen in zwei Dimensionen vermessen. Diese Verfahren unterlagen einer hohen Fehlerquote und gaben nicht die wahre Änderung der Tumorgröße wieder. Die Weiterentwicklung der Volumetrie umfasst mittlerweile eine dreidimensionale Berechnung des Tumors und kommt der tatsächlichen Größenänderung des Tumors am Patienten mit NF1 haben aufgrund ihrer genetischen Änderung im NF1-Gen eine hohe Wahrscheinlichkeit, gutartige Tumoren im gesamten Körper zu entwickeln. Die Tumoren variieren in ihrer Anzahl und Größe. Bislang konnten noch keine Aussagen über die tatsächliche Tumorlast in Patienten mit NF1 gemacht werden, weil versteckt wachsende Tumoren im Körperinneren in der klinischen Untersuchung nicht beurteilbar waren. Diese Verfahren werden wahrscheinlich die klinische Behandlung von NF1-Patienten wesentlich verändern und sind entscheidend, um Medikamentenstudien durchzuführen. Es stellt sich in Zukunft die Frage, inwieweit MRT und volumetrische Berechnungen helfen können, die Entstehung von MPNST (maligne periphere Nervenscheidentumoren) aus gutartigen PNF (plexiforme Neurofibrome) frühzeitig zu erkennen. Die Methode gestattet einen Vergleich der Tumorgröße im Verlauf der Zeit. Man kann die prozentuale Größenzunahme relativ genau berechnen und auf dieser Grundlage Wachstumstendenzen der Tumoren Diese Methoden werden nunmehr bei Medikamentenstudien zur Behandlung von PNF eingesetzt. Berichtet wurde über die nun beginnende Medikamentenprüfung mit der Substanz Rapamycin (Serolimus®), über die bei der Behandlung der tuberösen Sklerose bereits erfolgreich berichtet wurde. Die Substanz beeinflusst Zellbewegung, Proteinbildung, Gefäßneubildung und Zellteilung und wirkt auf einen bei NF1 defekten Zellsignalweg. Sie wird bei Patienten eingesetzt, bei denen plexiforme Neurofibrome zu ernsthaften Einschränkungen führen. Es handelt sich um eine Studie, bei der verschiedene amerikanische Kliniken mit Unterstützung der US Army an dem In einer anderen Studie werden Patienten mit inoperablen plexiformen Neurofibromen mit der Substanz Sorafenib (Nexavar®) behandelt. In diesem Rahmen wurden noch weitere Medikamentenstudien vorgestellt. Tumoren des Nervensystems (insbesondere des Gehirns) führen die Liste der Todesursachen im Kindesalter an. Im Erwachsenenalter zählen bösartige Neubildungen hinter Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den zweithäufigsten Todesursachen in den
1.3 MPNST (maligne Nervenscheidentumoren)
Im Gegensatz zur Normalbevölkerung haben NF1- und NF2-Betroffene eine Veranlagung zur Ausbildung von gutartigen Tumoren. Gutartige Tumoren sind bei über 80% der NF1- Patienten vertreten. Offenbar gibt es aber bisher unbekannte Faktoren, die das Auftreten und die Veränderungen von gutartiger Tumorbildung zu bösartigem Gewebe fördern. NF 1 Erkrankte haben im Vergleich zur gesunden Bevölkerung ein generell erhöhtes Risiko für die Entwicklung bösartiger Tumoren im Körper. Das Auftreten dieser Geschwülste zählt zu den gefürchteten Komplikationen von NF1, die maßgeblich für Gebrechlichkeit, Einschränkung der Lebensqualität und Lebenszeitverkürzung verantwortlich sind. Die anwesenden Ärzte waren sich einig, dass die Patienten selbst über die typischen Anzeichen, die eine Veränderung von PNF zu MPNST anzeigen, besser aufgeklärt werden müssen. Die meisten Betroffenen werden erst untersucht, wenn der bösartige Tumor schon relativ weit vorangeschritten ist. Patienten mit NF1 und tief wachsenden PNF haben ein geschätztes Lebenszeitrisiko von 8-12%, durch Entartung der PNF an einem MPNST zu erkranken. MPNST gehen aus den Nervenzellen hervor. Sie sind besonders aggressiv wachsende Tumoren. Die Entwicklung aus einem PNF in ein MPNST kann sich klinisch durch Vergrößerung des Tumors, neu auftretende Schmerzen, neurologische Ausfälle und Funktionseinschränkungen der verdrängten Organe äußern. Die Prognose der Patienten mit MPNST hängt sehr stark vom Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. In der Klinik steht hierfür zum Beispiel die radiologische Positronenemissionstomographie/ Computertomographie (PET/CT) als Screening-Verfahren zur Verfügung. Der Patient erhält Traubenzucker (Glucose), der mit für den Menschen relativ unschädlichen radioaktiven Teilchen besetzt ist. Körperzellen benötigen für ihren Stoffwechsel Glucose. Tumorzellen, die einen erhöhten Energieumsatz haben, nehmen vergleichsweise mehr Glucose auf als gesundes Gewebe. Nach Aufnahme des Zuckers in die Zellen, wird die radioaktive Strahlung nach außen abgegeben und kann mit dem PET/CT-Gerät geortet und gemessen werden. Der so genannte, hieraus abgeleitete SUV-Wert ermöglicht eine Aussage bezüglich des gut- bzw. bösartigen Wachstumscharakters der Raumforderung. Werte die kleiner als 2.0 sind findet man vornehmlich bei gutartigen Tumoren. Bösartige Tumoren weisen im Allgemeinen Werte größer 4.0 auf. Dieses Verfahren ist zwar sehr hilfreich in der Tumor-Diagnostik, dennoch existiert noch eine Art Graubereich, in dem keine eindeutigen Tendenzen des Tumorwachstums voraussehbar sind und bewertet werden können. Für eine rechtzeitige und frühe Diagnostik ist aber eine Aussage der Wachstumstendenz gerade in diesem Bereich notwendig, um die Prognose der Patienten entscheidend zu verbessern. Um die Verdachtsdiagnose MPNST zu bestätigen, können auch mehrere offene Biopsien im Tumorbereich durchgeführt werden, denen sich eine pathologische Begutachtung durch Experten anschließt. Patienten, bei denen ein MPNST durch Gewebeentnahme bestätigt wird, erhalten ein umfangreiches Screening auf Absiedlungen in andere Körperteile. Bei Inoperabilität der Tumoren bestehen keine einheitlichen Behandlungsrichtlinien. Je nach Auffassung wird in manchen Kliniken eine präoperative Bestrahlung oder Chemotherapie durchgeführt. Bei Tumoren im Bereich der Glieder besteht die Möglichkeit der Amputation, die allerdings ungern in Anspruch genommen wird. Konventionelle Chemotherapie führt nur bei etwa 25 % der Patienten zu einer signifikanten Verlängerung der Lebenserwartung. Hier sind Studien im Gange, die die Wirksamkeit der konventionellen Chemotherapie bei NF1 genau untersuchen. Die lokale Bestrahlung nach operativer Behandlung erhöht die lokale Kontrolle des Tumors, führt aber zu keiner entscheidenden Verlängerung der Lebenserwartung. Derzeit wird in Deutschland eine Medikamentenprüfung mit der Substanz Imantinib durchgeführt. Erste Behandlungsergebnisse sind in etwa einem Jahr zu erwarten. Verschiedene Forschergruppen stellten die Ergebnisse von Medikamentenprüfungen in der Zellkultur vor, die im Mausmodell und schließlich bei Betroffenen in naher Zukunft
1.4 OPTIKUSGLIOM
Der häufigste Tumor bei Kindern mit NF1 ist das Optikusgliom. Es handelt sich um einen Tumor des Sehnerven, der mit einer Häufigkeit von etwa 15% auftritt, wobei eine Vielzahl der Tumoren zu keinen Folgesymptomen führt. Die Kinder können durch Sehschärfenminderung, Sehnervatrophie (Untergang), Schielen und Hervortreten des betroffenen Auges auffällig werden. Bis knapp ein Drittel der jungen Patienten bleiben ohne Symptome. Das Optikusgliom wächst, wenn überhaupt, mit seltenen Ausnahmen vergleichsweise langsam. Bei Kindern mit NF1 (im Vergleich zur normalen Bevölkerung) haben die Tumore einen weniger aggressiven Verlauf. Die Behandlung beschränkt sich bei den meisten Patienten auf ausgiebige augenärztliche Untersuchungen und MRT- Kontrollen. Symptome können bei betroffenen Kindern bereits im Alter von 6 Monaten nachgewiesen werden und sind ab dem zweiten Lebensjahr deutlich vorhanden. Es wird empfohlen, NF1-Kinder unter acht Jahren jährlich ein Mal zu untersuchen, da sich in diesem Alter Optikusgliome am häufigsten entwickeln und durch engmaschige Kontrollen rechtzeitig diagnostiziert werden können. Nach acht Jahren besteht ein deutlich geringeres Risiko der Tumorentstehung, das aber dennoch vorhanden ist. Kontrollen im Zweijahresrhythmus werden hier bis zum 18. Lebensjahr empfohlen. Anders als in den übrigen Körperregionen weicht man bei Gliomen des Sehnerven so spät als möglich auf eine chirurgische Maßnahme aus, da sie ein hohes Risiko der Sehverschlechterung durch Sehnervschädigung sowie hormonelle und Gefäßschäden mit sich bringt. Auch die Bestrahlung in diesem Bereich stellt sich als durchaus problematisch dar und konnte sich bislang aufgrund der hohen Komplikationsrate (Auftreten von bösartigen Nervenscheidentumoren) nicht durchsetzen. Mittel der Wahl bei symptomatischen Optikusgliomen ist die Chemotherapie. Es haben sich die Medikamente Vincristin und Die 3-Jahres-Überlebensrate wurde mit 78% angegeben. Weitere viel versprechende Medikamente sind Cyclophosphamid (Endoxan®), Etoposid (Vepesid®) und Procarbazin (Natulan®), die allerdings als Nebenwirkung ein Risiko für sekundäre Leukämien mit sich Zukünftige Aufgaben der Forschung bestehen in der Weiterentwicklung chemotherapeutischer Strategien, die das Nebenwirkungsprofil auf das Nervensystem minimieren. Zudem sind weitere Untersuchungen in Bezug auf Erfolgsraten auf diesem Gebiet notwendig. Auch hier ist die Überprüfung einer neuen Substanz zur Behandlung
1.5 SKOLIOSE UND PSEUDARTHROSE
Zu den gravierenden Knochenproblemen von NF1 Patienten zählen die Skoliose und Pseudarthrose. Skoliose ist der medizinische Ausdruck für eine strukturelle Wachstumsverkrümmung der Wirbelsäule mit seitlicher Verbiegung und Drehung der einzelnen Wirbel. Die Pseudarthrose bezeichnet eine Knochenheilungsstörung, bei der das Verknöchern nach einem Bruch länger als 6 Monate braucht und sich unter Umständen über Jahre hinziehen kann. Sowohl die Skoliose der Wirbelsäule als auch die Pseudarthrose des Unterschenkels treten gehäuft bei NF1-Patienten auf und bedürfen einer Behandlung durch einen in diesen Komplexen erfahrenen Orthopäden. Die Skoliose lässt sich in drei Unterformen einteilen. Man unterscheidet zwischen der früh einsetzenden Form (Early Onset), der dystrophen (symptomatischen) und non- dystrophen (asymptomatischen) Skoliose. Klinisch wesentliche Symptome stehen im Zusammenhang mit dem Ausprägungsgrad der Krümmung und der sich nachziehenden Verdrängung der an der Seite austretenden Nerven. Treten Einengungen und massive Beschwerden auf, gibt es unterschiedliche Therapieoptionen für den Patienten. Stellt sich ein Patient mit NF1 und Wirbelsäulenverkrümmung zu Anfang vor, werden neben der Befragung und klinischen Untersuchung radiologische Bilder gemacht, um den Stand und Verlauf der Skoliose beurteilen zu können. Die Therapie im Kindesalter unterscheidet sich von der Therapie erwachsener Patienten. Im Kindesalter besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass sich skoliotische Veränderungen durch das Wachstum ausgleichen oder verbessern können. Daher sollte bei Mädchen das 11. und bei Jungen mindestens das 12. Lebensjahr abgewartet und die Kinder bis dahin beobachtet werden, ehe man sich radikaleren Therapien zuwendet. Wenn sich Kinder allerdings mit sich verschlechternden Beschwerden, das heißt zunehmenden Krümmungen, vorstellen, bedient man sich oftmals eines Stützkorsetts, das eine Verschlechterung des Zustands verhindern kann. Als weitere konservative Maßnahme verschreibt man den Kindern Physiotherapie mit Rückenkräftigungsübungen. Wenn bei Kindern diese konservativen Therapieoptionen erschöpft sind und nicht greifen, bleibt die Möglichkeit einer Operation. Die Operation ist sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen Mittel der Wahl, wenn eine gravierende Verschlechterung während des Wachstums bzw. auch nach Wachstumsabschluss, Schmerzen, Herz-Lungen-Probleme und ästhetische Probleme vorliegen. Man kann zum einen nicht-permanente Korrekturen und Fixierungen der Wirbelsäule durchführen oder eine permanente Korrektur und Fusion der Wirbel anstreben. Bei der nicht-permanenten Methode wird die Wirbelsäule quasi chirurgisch durch seitliche Metallstäbe oder durch Titan-Rippen stabilisiert. Bei der permanenten Korrektur werden die Wirbelkörper versteift. Die angeborene Pseudarthrose des Unterschenkels kommt bei etwa 6% der NF1- Patienten vor. Sie resultiert aus der so genannten kongenitalen tibialen Dysplasie, das heißt einer angeborenen Fehlbildung des Unterschenkels. Der Unterschenkel stellt sich bereits im ersten Lebensjahr im Röntgenbild gebogen und verkürzt dar. Patienten haben bis zum Alter von 20 Jahren ein sehr hohes Risiko für einen Unterschenkelbruch. Ein Bruch ist bei solchen Patienten äußerst schwierig zu behandeln, weil sich die Bruchränder nicht annähern und wieder verwachsen, sondern getrennt bleiben und daher stark Therapeutisch gibt es viele Ansätze, die allerdings leider nur spärliche Erfolge aufweisen. Ziel der Therapie ist das Anregen des Knochenwachstums. Hierfür kann man Knochenzellen oder Knochengewebe aus dem Wadenbein oder anderen Knochen des Körpers in die Unterschenkelregion transplantieren. Weitergehend können Wachstums- faktoren oder das BMP, ein bestimmtes Protein, welches das Knochenwachstum anregt, eingesetzt werden (s. NF Aktuell Nr. 63, 2007). Als letzte Maßnahme steht die
1.6 LERNSCHWIERIGKEITEN
Lernschwierigkeiten, die durch eine Vielzahl von Teilleistungsdefiziten gekennzeichnet sind, zählen zu den häufigsten Schwierigkeiten von NF1-Kindern und Jugendlichen. Diese Probleme beschränken sich nicht nur auf das Schulalter, sondern haben unentdeckt natürlich weit reichende Auswirkungen bis in das Erwachsenenalter, da betroffenen NF1- Kindern eine ihrem Stand angebrachte Schulbildung verwehrt bleibt. Australische und amerikanische Forschungsgruppen konzentrieren sich in ihren Untersuchungen auf Mittel und Wege betroffene Kinder frühzeitig zu erkennen und Fördermaßnahmen einzuleiten. Hinweise für kognitive Defizite und Lernschwierigkeiten liefern ein niedriger IQ, Probleme mit räumlichen Denkaufgaben, Schwierigkeiten mit planenden und abstrakten Aspekten komplexer Anforderungen umzugehen, motorische Schwierigkeiten und Aufmerksamkeitsstörungen sowie Hyperaktivität (ADHD). ADHD wird bei 35-40% der Kinder beobachtet und ist ein ausschlaggebender Faktor für Lernschwierigkeiten und mangelnde soziale Kompetenz. Häufig werden Kinder und Jugendliche erst beim Auftreten von wesentlichen Folgen der Lernschwierigkeiten (mangelnder schulischer Erfolg, familiäre Belastungen etc.) wahrgenommen. Amerikanische und australische Forschungsgruppen versuchen diese Betroffenen bereits vorschulisch dingfest zu machen. Denn es existieren verschiedene Tests und Fragebögen, um betroffene Kinder im Vorschulalter bereits zu identifizieren. Bei den Untersuchungen werden Hörtests durchgeführt und die Kinder an Aufgaben und Fragen herangelassen, die sie non-verbal und verbal bearbeiten sollen. Ergebnisse einer Forschergruppe aus Utah offenbarten, dass NF1-Kinder im Vorschulalter wesentlich schlechter als gesunde gleichaltrige in Tests zur Sprachentwicklung abschnitten und eine deutliche Sprachentwicklungsverzögerung aufwiesen. NF1-Kinder im Alter von 30 Monaten oder jünger hatten bereits einen schlechteren geistigen Entwicklungsstatus und unausgeprägtere motorische Fertigkeiten als gesunde gleichaltrige. Erste Entwicklungsunterschiede zwischen den beiden Gruppen waren schon in einem Alter von 15 Monaten nachweisbar und wichen bis zum 21. Lebensmonat weiter auseinander, um anschließend stabil zu bleiben. Während 40 Monate alte Kinder noch einen durchschnittlichen IQ hatten, befanden sich 5-jährige bereits Die Therapie der jungen Patienten umfasst ein gezieltes Lerntraining, das auch auf technische Mittel zurückgreift. Medikamentös ist die positive Wirkung von Methylphenidat in klinischen Studien bewiesen und wird mit gutem Erfolg angewendet. Lovastatin, das ursprünglich bei erhöhten Blutfetten eingesetzt wurde, zeigte in Mäusen mit NF1, dass sich biochemische, elektrophysiologische und kognitive Defizite wieder ausglichen und sich die Denkleistungen der Tiere an die Leistungen gesunder Mäuse wieder anglichen. In einer australisch-amerikanischen Studie, die ebenfalls von der US Army gefördert wird, soll nunmehr der Effekt von Lovastatin geprüft werden. Auf Grundlage des Mausmodels wird erhofft, dass sich visu-motorische Probleme und Aufmerksamkeitsbeeinträchti- gungen unter der Medikation vermindern sollen.
1.7 UNKLARE ROLLE DES GEFÄSSSYSTEMS
Betroffene NF1-Patienten versterben vor dem 40. Lebensjahr häufiger. Die Rolle von Gefäß-Erkrankungen wurde in diesem Zusammenhang von einer kanadischen Forschungsgruppe statistisch untersucht. Hierfür wurden aus 32 Mio. amerikanischen Totenscheinen von 1983-1997 1504 Verstorbene mit NF1, die jünger als 50 Jahre waren, herausgesucht und nach Todesursachen wie Bluthochdruck, Erkrankungen der kleinen Arterien und Arteriolen und Kopfgefäß- und Herzerkrankungen gesucht. Es stellte sich heraus, dass 474 Personen, das heißt ein Anteil von 31.5%, an einer der oben aufgelisteten Todesursachen verstarben. Der Tod aufgrund von Tumoren trat in 30.3% der Fälle ein. Auffällig erschien des Weiteren, dass in den Altersgruppen 0-9 Jahre und 40-49 Jahre deutlich mehr Menschen an Herz-Kreislauf- Gefäßerkrankungen verstarben als an Tumoren. Zukünftige Ziele der Forscher bestehen darin, Methoden zu entwickeln, um junge NF1-Patienten zu identifizieren, die keine speziellen Symptome des Herzens, Kreislaufs oder der Gefäße aufweisen und dennoch als Risikogruppe gefährdet sind. Insgesamt muss die Bedeutung von Gefäßkomplikationen bei NF1 in Zukunft besser untersucht werden.
1.8 ERWEITERTE DIAGNOSTISCHE KRITERIEN
Die Diagnose NF1 wird auf der Basis der folgenden Kriterien gestellt. Diese beinhalten mindestens zwei Kriterien der folgenden Liste: 2 oder mehr NF jeden Typs oder ein plexiformes NF in den Hautfalten, axillär oder inguinal Lendenwirbelsäule, kongenitale Pseudarthrose, betroffener Verwandter ersten Grades (Eltern, Mit den neuen Erkenntnissen der Forschung sprechen sich Wissenschaftler für eine Ausweitung und Ergänzung der Kriterien aus. Neben NF1 treten sechs oder mehr Café-au-lait-Flecke auch bei anderen Erkrankungen auf, die mit einem defekten DNA-Reparatursystem des Körpers einhergehen oder bei denen bestimmte menschliche Gene mutiert sind und sich in der Klinik Café au lait-Flecke auf der Haut bilden. Es handelt sich also um Krankheitsbilder, die gegen eine NF1 abzugrenzen sind. Die Kriterien 2-5 sollten mit einem Zusatz versehen werden, der auf die so genannte segmentale NF hinweist. Die segmentale NF umfasst zwar die gleichen Symptome wie NF1, sie unterscheidet sich aber von letzterer durch die örtliche Beschränkung der Symptome auf ein Nervensegment und deren solitäres (vereinzeltes) Auftreten. Man beobachtet das Auftreten von Krankheitssymptomen vor allen Dingen am Rumpf. Hier erstrecken sie sich in vielen Fällen gürtelartig auf einer Seite, da dieser Verlauf der anatomischen Lage der Rippennerven entspricht. Beispielsweise kann es zum Auftreten eines PNF im Gesicht kommen und gleichzeitig eine einseitige Sommersprossenzeichnung in einer Achselhöhle beobachtet werden. Die positive Familienanamnese als NF1-Kriterium sollte durch nachgewiesene oder fehlende Mutation im NF1-Gen ergänzt werden. Letzen Endes ist der genetische Nachweis einer Mutation gleichbedeutend mit einem sicheren Beweis für das Vorliegen einer NF1.
1.9 NEUE WEGE AUF DEM WEG ZUR THERAPIE VON NF
In der Therapie von NF1 wurden bislang Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung durchgeführt. Allerdings sprechen bösartige Gliome oder MPNST oftmals nicht auf diese Therapien an. Forscher aus den USA befassten sich mit neuen biologischen Ansätzen, um Patienten auf diesem Gebiet zu helfen. Eine Arbeitsgruppe aus South Carolina befasste sich mit Hyaluron. Hyaluron ist eine Substanz, mit der das Bindegewebe des zentralen Nervensystems interagiert. Es ist ein körperliches Protein, das neben den physiologischen Eigenschaften und Aktionen im Nervensystem über zelluläre Signalwege Wachstumseigenschaften von Tumoren beeinflussen kann. Die Wirkung des Proteins besteht zum Beispiel in der Resistenzausbildung der Tumorzellen gegen das Immunsystem und Medikamente, dem Abschalten des Zelltodprogramms dieser Zellen und der Förderung des verdrängenden Wachstumsverhaltens. In vielen Tumoren ist Hyaluron erhöht nachweisbar, wie auch in NF1-Tumoren. Die Forscher entdeckten in ihren Untersuchungen, dass die medikamentöse Verabreichung von veränderten Hyaluronen die Signalwege blockieren können. Diese Hyalurone sind in ihrer Struktur verkürzt, nicht-giftig für Menschen und lösen keine Immunreaktion im Körper aus. Bisher wurden Experimente mit Tumorzellen aus Gliomen und im Mausmodel durchgeführt. Das Medikament konnte das bösartige Wachstumsverhalten der Zellen ändern und unterbinden. Diese viel versprechenden Ergebnisse gilt es nun in weiteren Versuchen zu Die Rolle von Stammzellen bei der Entstehung von Tumoren ist derzeit Gegenstand vieler Forschungsaktivitäten. Stammzellen sind noch nicht entwickelte und unbegrenzt teilungsfähige Zellen, aus denen wiederum Stammzellen und Zellen mit einem auf ein Organ bezogenem Entwicklungspotenzial entstehen können. In der Embryonalzeit sind die Stammzellen Ausgangspunkt für die Organentwicklung. Danach findet man sie vor allem in Gewebe, das sich häufig und rasch erneuert, zum Beispiel Schleimhäuten und Zellen des Knochenmarks. Diese Zellen verfügen über ein außerordentliches PNF sind gutartige Tumoren in NF1, von denen bekannt ist, dass sie sich in einen bösartigen Tumor umwandeln können. PNF sind mit der Geburt bereits im Körper angelegt und wachsen, im Gegensatz zu den anderen Neurofibromen, vornehmlich im Kindes- und Jugendalter. Da diese Entwicklungsperioden unter anderem durch das starke körperliche Wachstum, und dazu zählt auch Nervenwachstum, gekennzeichnet sind, ist die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Stammzellen und Entwicklung von PNF durchaus vertretbar. Eine Arbeitsgruppe aus Chicago untersuchte Stammzellen in Mausmodellen, in denen Mäuse mit NF1 verwendet wurden. Sie zeigte, dass PNF aus Stammzellen hervorgingen, denen das NF1-Gen fehlte. Erstaunlicherweise führten diese Stammzellen aber nicht zu einem raschen Tumorwachstum unmittelbar nach der Geburt. Die Entwicklung der Nerven vollzog sich normal. Man beobachtete allerdings das Vorliegen von so genannten non-myelinisierenden Schwannzellen. Schwannzellen sind die Bindegewebszellen im peripheren Nervensystem, die für die Ummantelung des Nervs mit Myelon zuständig sind. In den Mäusen wurden abnormale Schwannzellen gefunden, die diese Funktion nicht hatten und als non-myelinisierende Schwannzellen bezeichnet wurden. Diese Zellen waren sehr teilungsfreudig und führten unter Einwanderung von Zellen des Immunsystems, den Mastzellen, zu einer Ausbildung der PNF. Es ist notwendig, dass die Prozesse der Tumorentstehung verstanden werden, wenn man gezielte Therapien einsetzen oder klären möchte, warum diese nicht greifen. Dazu gehört auch zu identifizieren, welche Zellarten an dem Wachstumsprozess beteiligt sind. Die Stammzellforschung steht am Anfang und es ist das Ziel, das bisherige komplexe Wissen auszuweiten und bei zukünftigen Versuchen mit einzubeziehen.
2. NEUROFIBROMATOSE TYP 2
Neurofibromatose Typ 2 (NF2) ist eine genetische Erkrankung, die bei 1:40.000 Neugeburten und somit mit einer nahezu 10fach selteneren Wahrscheinlichkeit als NF1 auftritt. Die Hälfte der NF2-Patienten hat weitere Betroffene in ihrer Familie. Bei der anderen Hälfte tritt NF2 als Neumutation das erste Mal in der Familie auf. Kinder mit einem betroffenen Elternteil haben wie bei NF1 ein Risiko von 50%, die Erkrankung zu erben. NF2 ist durch gutartige Tumoren im zentralen Nervensystem charakterisiert. Betroffene Patienten können Tumoren des Hörnervs, so genannte Vestibularschwannome bzw. Akustikusneurinome (AKN) entwickeln oder neigen zur Bildung von Tumoren der Hirnhäute, die Meningiome genannte werden. AKN sind gutartige Tumoren, die meist beidseitig und selten einseitig auftreten können. Die Tumoren führen durch ihr langsames aber stetes Wachstum zu Schädigungen des Hörnervs. Der Hörnerv besteht in Anteilen aus Nerven für den Hörprozess und Nerven des Gleichgewichtsorgans. Betroffene Patienten mit AKN können daher im Verlauf der Krankheit über Hörverlust, Tinnitus und Schwindel sowie Gleichgewichtsstörungen klagen. Während des Wachstums kann der Tumor außerdem die sensiblen und motorischen Nerven des Gesichts bedrängen, so dass die Patienten als Folge Taubheit und Lähmungen der Gesichtsmuskulatur erleben. Die geschilderten Symptome treten in der Regel zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf. Die klinische Untersuchung und Befragung der Patienten nach den oben aufgeführten Beschwerden liefern Hinweise für das erstmalige Auftreten von Vestibularschwannomen. Die Symptome können sich bereits in einem frühen Stadium manifestieren. In manchen Fällen treten die Beschwerden allerdings anfangs noch sehr subtil auf und verursachen erst in einem fortgeschrittenen Stadium spürbare Beschwerden, so dass sie nicht zu einer Frühdiagnostik beitragen. Besteht der Verdacht auf ein AKN, stehen in der Klinik das Audiogramm zur subjektiven Hörtestung und die Bildgebung in Form der CT und MRT zur Verfügung. Die bildgebenden Mittel nutzt man ebenfalls zur Darstellung von Meningiomen, Schwannomen der Gesichts- und Kopfnerven sowie von spinalen Tumoren. Die Therapie der Patienten mit NF2 ist nach wie vor eine Herausforderung. Neben der Chirurgie bietet sich die Strahlentherapie an. Erstmalig wurde aber auch über Erfolge mit einer Substanz der Anti-Angiogenese (= gegen Gefäßneubildung) berichtet. Bei Tumoren, die zunehmend neurale Strukturen bedrängen und zu einer Ausfallsymptomatik führen, ist eine Operation geboten. Bei Tumoren der mittleren Größe (1-3 cm) entscheidet man individuell je nach Beschwerdebild der Patienten (Hörminderung, akustische evozierte Potentiale, neurologischer Befund), ob eine Operation durchgeführt wird. Bei Tumoren, die noch relativ klein sind (< 1.0-1.5 cm), ist es möglich, durch die Operation einen Erhalt des Hörvermögens zu gewährleisten. Dennoch haben AKN eine hohe Wiederauftretenswahrscheinlichkeit. Bei großen Tumoren (> 2.0cm) führt eine Operation in vielen Fällen zum weitgehenden Verlust des Hörvermögens und zu Teilen des Gleichgewichtssinns, da mit der Operation des Tumors der befallene Anteil des Hörnervs geschädigt wird. Nach Operation eines AKN ergibt sich die Möglichkeit, bei erhaltener Hörnervfunktion, ein Cochleaimplantat einzusetzen (s. Informationsbroschüre über technische Hilfen bei NF2). In der Bestrahlungstherapie nutzt man für radiochirurgische Maßnahmen das so genannte Gamma-Knife. Es handelt sich um ein spezielles Bestrahlungsgerät, das sich zur Durchführung von kleinvolumiger, das heißt stereotaktischer Bestrahlung im Kopfbereich eignet. Für diese Methode eignen sich vor allem ältere Patienten, Patienten mit einem instabilen Gesundheitszustand und solche, die bilaterale AKN haben oder deren einziges funktionierendes Ohr betroffen ist. Eine Forschergruppe aus Pittsburgh untersuchte die Ergebnisse dieser Therapiemethode unter den Aspekten der Reaktion des Tumors und der Änderung des Hörvermögens. Die Auswirkungen des Gamma-Knife auf die AKN wurden anhand der Änderung des Tumorvolumens verglichen. In diesem Zusammenhang wird in der Medizin der Begriff der „lokalen Tumorkontrolle“ benutzt und findet Verwendung, wenn der Tumor sich lokal nicht vergrößert, das heißt also in seinem Wachstum kontrolliert ist. Die Tumorkontrollrate betrug in den Untersuchungen der Arbeitsgruppe nach 5, 10 und 15 Jahren bei einer Strahlendosis 12 bis 14 Gray immer noch über 80%. In 73% der Fälle war das Hörvermögen nach einem Jahr erhalten, in 59% nach zwei und in 48% nach fünf Jahren. Trotz dieser viel versprechenden Ergebnisse ist es notwendig, auch auf mögliche Nebenwirkungen der Gamma-Knife- Therapie hinzuweisen. Es besteht durch die Strahlenbelastung die Möglichkeit der Veränderung des bestrahlten Tumors zu bösartigem Tumorgewebe (s. letzte NF aktuell). Diese Therapie bedarf einer ausgereiften Planung des Vorgehens und engmaschigen bildgebenden Kontrollen mit MRT durch erfahrene Experten. Die Chemotherapie auf dem Gebiet der NF2 wurde erstmalig intensiv diskutiert und verschiedene Substanzen als mögliche Kandidaten vorgestellt. Bisher galt die Anwendung ungezielter Chemotherapie für einen gutartigen Tumor als nicht sinnvoll. Mit dem Nachweis so genannter „Zielstrukturen“ in Tumoren, die durch chemotherapeutische Substanzen angegriffen werden können, eröffnen sich nun neue Strategiemöglichkeiten. Bislang existierten keine Substanzen, die Vestibularschwannome oder Meningiome lokal kontrollieren konnten oder zu einem Tumorrückgang führten. In vorhergegangenen wissenschaftlichen Untersuchungen fand man eine erhöhte Gefäßdichte und ausgedehntere Gefäße in operierten Tumoren. Zudem konnte ein bestimmter Wachstumsfaktor vermehrt in NF2-Tumoren gefunden werden, der für die Ausbildung von Blutgefäßen zuständig ist. Dieser Wachstumsfaktor wird vessel and epidermal growth Während der Tumorentstehung nimmt der Tumor an Größe zu und benötigt für das Wachstum Nährstoffe für seine Zellen. Bis zu einer bestimmten Größe bezieht er seine Nährstoffe aus den umliegenden Blutgefäßen. Mit zunehmender Ausdehnung müssen Blutgefäße allerdings in ihn hinein sprießen, damit auch entlegene Anteile im Tumorinneren, die keinen unmittelbaren Kontakt zu Blutgefäßen haben, einen Zugang zu Nährstoffen erhalten. Für den Prozess der Gefäßneubildung, der auch Angiogenese genannt wird, bilden sich bestimmte Rezeptoren auf den Tumorzellen aus und werden spezielle Wachstumsfaktoren, wie zum Beispiel VEGF, ausgeschüttet. Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe aus Boston führte eine klinische Medikamentenstudie mit dem VEGF-Hemmstoff Bevacizumab (Avastin®) durch. Avastin® ist ein Antikörper, der aufgrund seiner biochemischen Eigenschaften an VEGF binden kann und die Funktion des Wachstumsfaktors hemmt. In der Folge können keine Gefäße neu gebildet werden. An der Studie nahmen 4 Patienten teil, die aufgrund ihrer wachsenden AKN ein stark erhöhtes Risiko hatten, komplett zu ertauben. Die Patienten erhielten alle 14 Tage eine Infusion mit 5 mg des Medikaments pro kg ihres Körpergewichts. Innerhalb der ersten 3 Monate konnte ein Rückgang des Tumorvolumens in drei der vier Patienten verzeichnet werden. In subjektiven Hörtests zeigte sich bei den drei Patienten zudem eine eindeutige Verbesserung der Worterkennung. Die Patienten vertrugen das Medikament erstaunlicherweise recht gut. Toxische Effekte ersten Grades wurden beobachtet, hatten aber keinen Einfluss auf die Fortführung der Therapie. Nebenwirkungen, zu denen unter anderem Bluthochdruck, Thrombosen und Blutungen gehören, traten allerdings nicht auf. Grundsätzlich gilt, dass die Anwendung dieser Substanz wesentliche Risikofaktoren birgt, so dass diese in Deutschland derzeit nur im Rahmen eines Heilversuches eingesetzt werden kann. In Zukunft sollen mehr Patienten in die amerikanische Studie einbezogen werden, um die bisherigen Ergebnisse zu bestätigen und auszuweiten. Außerdem ist auf biologischer Ebene der Prozess der Gefäßneubildung in gutartigen Tumoren noch genauer
3. SCHWANNOMATOSE
Schwannomatose wurde erst kürzlich als weitere Form der Neurofibromatose eindeutig definiert und tritt mit einer geschätzten Wahrscheinlichkeit von 1:40.000 auf. Schwannomatose beruht auf genetischen Änderungen, deren eindeutige Zuordnung bisher noch aussteht. Anders als bei NF1 und NF2, ist der Vererbungsgang nicht vollständig aufgeklärt. Die meisten Patienten mit Schwannomatose sind sporadische Fälle, d.h. die Erkrankung ist bisher nicht in der Familie aufgetreten und zeigt sich zum Im letzten Jahr wurde erstmalig über ein Gen (INI1) berichtet, das bei etwa 33-66% der Patienten mit familiärer und bei weniger als 10% mit sporadischer Schwannomatose genetisch verändert ist. Die Rolle und der Einfluss anderer Gene werden derzeit noch untersucht. Ein verlässliches Gen-Test-Verfahren wie bei NF1 und NF2 existiert noch nicht für Schwannomatose. Allerdings können familiäre Formen durch den Nachweis von genetischen Änderungen des INI1-Gens bestätigt werden. Charakteristischerweise treten bei betroffenen Patienten mit Schwannomatose insbesondere spinale und periphere Schwannome auf. In seltenen Fällen kann das Gehirn ebenfalls betroffen sein. Im Gegensatz zu NF2-Patienten entwickeln betroffene Schwannomatose-Patienten keine Akustikusneurinome (AKN) und haben daher kein Risiko der Ertaubung. Etwa ein Drittel der Patienten haben eine so genannte segmentale Schwannomatose, bei der diese Tumoren lediglich auf einen Teil des Körpers beschränkt Im Vergleich zu Betroffenen mit NF1 treten in diesen Patienten neben Schwannomen keine anderen Arten von Tumoren auf. Typische Lernschwierigkeiten wie bei NF1 wurden bislang bei Schwannomatose-Patienten nicht beobachtet. Das zweite charakteristische und oftmals erste klinische Symptom von betroffenen Patienten ist der chronische Schmerz. Dieser kann sich in jedem Körperteil manifestieren und mit wenigen bzw. fehlenden neurologischen Begleiterscheinungen einhergehen, wodurch die Diagnosestellung bei diesen Patienten häufig erst Jahre nach dem Auftreten der ersten Beschwerden gestellt wird. Die Anzahl der Tumoren im Körper steht in keinem Zusammenhang mit der Schmerzausprägung. Schwannome bestehen nur aus einem einheitlichen Zelltyp, den Schwannzellen. Die Tumoren nehmen nur selten und sehr langsam an Größe zu. Sie wachsen außerhalb der Nerven und können Beschwerden verursachen. Eine Operation kann in solchen Fällen effektiv eingesetzt werden. Wenn Tumoren entfernt werden, sind Patienten nach der Operation in vielen Fällen schmerzfrei. Aufgrund des Nachwachsens der Schwannome können Schmerzen allerdings im Laufe der Zeit erneut auftreten. Bei Inoperabilität der Tumoren, wird eine multidisziplinäre Schmerztherapie durchgeführt. Zurzeit gibt es keine Medikamente für eine Chemotherapie bei Schwannomatose-Patienten. Eine englische Arbeitsgruppe stellte ihre Studienergebnisse mit Sorafenib (Nexavar®) vor. Die Forscher konnten in menschlichen Schwannom-Zellen einen Rückgang der Zellteilung durch Nexavar® erreichen. Dieses Medikament wird derzeit auch zur Behandlung von PNF bei
4. SCHLUSSBEMERKUNG
Zusammenfassend wurde mein Eindruck bestätigt, dass das Motto der Konferenz: „Auf dem Weg zur Therapie von Neurofibromatose“, Realität geworden ist. Die Teilnahme am Austausch von Wissenschaftlern, die sich Menschen mit dieser schwerwiegenden Erkrankung verpflichtet fühlen, war für mich als Student der Medizin eine Möglichkeit der besonderen Art, sowohl eine kompakte wissenschaftliche Einführung als auch einen Überblick über den Forschungsstand auf diesem Gebiet zu erhalten. Danke, dass die Von Recklinghausen Gesellschaft e.V. das Wissen von Studenten auf dem Gebiet der NF
R.N. in Zusammenarbeit mit der Redaktion der NF-aktuell der Von Recklinghausen

Source: http://www.bv-nf.de/sites/default/files/downloads/brochueren/Akt_Stand_Forschung.pdf

Reproductive cycle in pets – part i

Reproductive Cycle in Pets: Canine Just after the shortest day, we would like to give you a bit of an advance on spring and one of the more normal phenomena that happen when the weather warms and the days grow longer. We, predictably, experience a rash of phone calls from panicked owners concerning the sudden onset of odd behaviours in their pets. Oftentimes, they report a decreased appetite

Microsoft word - cp30 datasheet lc-versie.doc

MOTION PICTURE DIVISION Technical Data Colour print film AGFA PRINT CP30 is a multilayer colour print film designed for use in optical or contact printers for making co lour release prints from original colour negatives, duplicate negatives or internegatives. AGFA PRINT CP30 is characterized by its consistency, excellent sharpness, very fine grain and outstanding dy e stability. AGFA

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