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Seelsorge für die Industrie
Die Elite der Nervenheilkunde ist eng mit Pharmakonzernen verflochten: Psychiater,
Neurologen, aber auch Psychologen arbeiten als bezahlte Berater für die Unternehmen.
Nun fordert ein Professor seine Kollegen auf, ihre Nebeneinkünfte offenzulegen.

Wer den Nervenarzt Matthias Riepe fragt, ob er Geld von Pharmafirmen annehme, erlebt ein kurzes Gespräch. "Das finde ich jetzt uninteressant", sagt der Professor von der Universität Ulm. Und schweigt. In seiner Funktion als Mitverfasser einer Leitlinie für Demenzerkrankungen hält sich Riepe ebenfalls bedeckt. Weil die Leitlinie die Gabe bestimmter Medikamente empfiehlt, wäre es aufschlussreich zu erfahren, ob die Verfasser finanzielle Verbindungen zu Herstellern von Medikamenten haben. Riepe hat der Leitlinie zufolge erklärt, er habe keinen Interessenkonflikt. Diese Auskunft erstaunt: Zusätzlich zu seinem Gehalt als Professor für Gerontopsychiatrie hat Riepe durchaus finanzielle Zuwendungen aus der Industrie angenommen - von AstraZeneca, Janssen-Cilag, Eisai, Pfizer und Lundbeck. Im Gegenzug hat er die Firmen beraten oder für sie Vorträge gehalten. So hat Riepe ein umstrittenes Alzheimer-Mittel ("Donepezil") öffentlich gepriesen - auf einer Veranstaltung, welche just die Herstellerfirma sponserte. Dass die Demenz-Leitlinie die besagte Substanz ebenfalls positiv erwähnt, verwundert nicht. Zahlungen von Pharmafirmen an Ärzte gibt es in vielen Bereichen der Medizin. In nur wenigen sind sie derart selbstverständlich geworden wie in der Nervenheilkunde. Es sind die Psychiater, die einer Studie aus Minnesota zufolge die höchsten Zuwendungen aus der Industrie kassieren. Von 37 Leitern der Kliniken für Psychiatrie an deutschen Universitätskliniken haben nach SPIEGEL-Recherchen offenbar mindestens 35 auf ihrem Berufsweg finanzielle Zuwendungen von Pharmafirmen angenommen. Auch Klaus Lieb, 45, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Mainz, gehörte zu den Seelsorgern der Industrie. Er sitzt in seinem Chefzimmer, die Abendsonne leuchtet in den Raum, und Lieb erzählt von seinen Pharmaeinkünften. Zusätzlich 10 000 Euro und mehr habe er früher jedes Jahr gemacht - völlig legal, weil er diese Nebeneinkünfte stets vom Arbeitgeber absegnen ließ. Doch je mehr Geld die Pharmaleute auf sein Konto überwiesen, desto klarer erkannte Lieb, in welche Abhängigkeit er sich da begab. "Ich machte mich plötzlich für ein Medikament stark, obwohl ich das eigentlich gar nicht so gut fand", sagt er. "Ich stellte fest, dass ich nicht mehr frei und unabhängig bin." Deshalb ist Lieb ausgestiegen: Als erster Direktor einer Klinik für Psychiatrie in Deutschland hat er öffentlich erklärt, er werde keinen Cent mehr von pharmazeutischen Firmen annehmen. Mehr noch: Lieb engagiert sich als Vorstandsmitglied in dem Verein Mezis. Die Abkürzung steht für "Mein Essen zahl' ich selbst". Die Mezis-Mitglieder kämpfen gegen Korruption in der Medizin. Sie lassen Pharmavertreter erst gar nicht an sich heran - ganz zu schweigen davon, dass sie sich von ihnen zum Essen einladen ließen. Peter Falkai, 49, Leiter der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Göttingen, dagegen hat schon auf Kosten von Pharmaunternehmen gespeist - und nicht nur das: Bereits als junger Assistent begann Falkai damit, persönliche Honorare aus der Industrie anzunehmen. 2010 war Falkai Firmen wie AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly, Janssen-Cilag, Lundbeck und Pfizer zu Diensten - neben seinem Job als Uni-Professor wohlgemerkt. Seine Kontakte in die Pharmawelt haben Falkai nicht geschadet. Im Gegenteil: Seit Anfang des Jahres ist der Mann sogar Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), eines Verbands mit mehr als 5500 Mitgliedern - der seinerseits enge Verbindungen zur Industrie pflegt: Arzneimittelhersteller sponsern den Jahreskongress der DGPPN in Berlin; das Geld in Höhe von etwa einer Million Euro fließt an eine Agentur. Für einen Interviewtermin sitzt Falkai im dunklen Anzug an einem Konferenztisch in der Berliner DGPPN-Zentrale, zum Treffen hat er seinen Geschäftsführer und die Leiterin seiner Stabsstelle mitgebracht. Seine Einsätze für pharmazeutische Firmen will Falkai nicht nur als Möglichkeit verstanden wissen, "ein bisschen Beibrot zu kriegen", sondern auch als Gelegenheit, über "interessante Themen zu reden". Als DGPPN-Präsident nimmt Falkai derzeit zwar vorübergehend keine Beraterhonorare an, aber er behält sich vor, nach seiner Amtszeit wieder einzusteigen. Den Schritt seines Mainzer Kollegen Lieb, prinzipiell auf Honorare von pharmazeutischen Firmen zu verzichten, hält er für das falsche Signal: "Das wäre ein Bruch", findet Falkai. "Zu sagen: Ich steige da komplett aus - warum sollte ich das tun? Ich finde, eine Beratungstätigkeit sollte bezahlt werden." Mitarbeiter von Pharmafirmen sehen es genauso. Systematisch rekrutieren sie Nervenärzte. Diese verdingen sich dann als Berater (Mitglieder des "advisory board") und als bezahlte Redner (Mitglieder des "speakers' bureau"). Alles läuft gegen Bezahlung. Sobald die Hochschulmediziner auf den Lohnlisten pharmazeutischer Firmen erfasst sind, ist deren Unabhängigkeit gefährdet. Ober- und Chefärzte fungieren nunmehr als "Meinungsbildner" - spöttische Ärzte halten die Bezeichnung "Mietmäuler" für treffender: Sie sollen den Interessen ihrer Auftraggeber dienen, sprich: den Firmen Glaubwürdigkeit verleihen und für hohe Verschreibungszahlen sorgen. In der Psychiatrie sind Meinungsbildner wichtig. Psychopharmaka gehören zu den umsatzstärksten Medikamentengruppen überhaupt (siehe Grafik Seite 118). Nur ungern verraten die Meinungsbildner, welche Summen für sie abfallen. Jedes Mal, wenn sie für eine Pharmafirma auftreten, bekommen sie, wie Insider berichten, mindestens 1000 Euro - oder deutlich mehr. Psychiater Falkai am Konferenztisch bezeichnet sich als "kleines Licht"; er sei "nicht jemand, der mit diesen pharmazeutischen Produkten primär groß geworden ist". Im Jahr habe er zwischen 10 000 und 15 000 Euro zusätzlich verdient, schätzt Falkai. Der Psychiater Hans-Jürgen Möller von der Universität München dürfte ein größeres Licht sein: Laut einer Auskunft aus dem vorigen Jahr fand er neben seinen Verpflichtungen als Klinikdirektor noch Zeit, gleich 13 verschiedenen Pharmafirmen als Berater oder Redner zu dienen. Hans-Christoph Diener, 60, im Brotberuf Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Essen und Außerordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, arbeitet nebenher für 28 verschiedene Pharmafirmen und andere Unternehmen. Rund 95 000 Euro brutto hat Diener nach eigenen Angaben an Industriehonoraren erhalten - allein im Jahr 2010. Von diesen Zahlungen hat die Öffentlichkeit kaum eine Vorstellung - und auch nicht von den Nachteilen, die sich daraus für sie ergeben könnten. Ein Arzt ist dem Patienten verpflichtet, ein Meinungsbildner seinem Auftraggeber; das ist ein Interessenkonflikt, der zu einer schlechteren Versorgung führen kann: Der von der Industrie alimentierte Mediziner lobt und verschreibt womöglich Medikamente, für die er sich sonst niemals eingesetzt hätte. Pharmafirmen setzen Meinungsbildner nicht nur ein, um Werbung für ihre Pillen zu machen, sondern auch, um Krankheiten zu vermarkten, die es oft gar nicht gibt. Mitarbeiter der Firma SmithKline Beecham in München etwa kamen auf die Idee, das Sisi-Syndrom zu erfinden: eine angebliche Depression, an der schon die österreichische Kaiserin Elisabeth ("Sisi", 1837 bis 1898) gelitten habe. Nur sei das Leiden sehr schwer zu diagnostizieren, weil die betroffenen Frauen es mit Frohsinn und Zufriedenheit überspielten. Praktischerweise hatten die Krankheitserfinder ein passendes Mittel im Angebot gegen das Leiden, eine Tablette namens Seroxat. Jetzt musste bloß noch die Nachfrage geweckt werden - nur wer sollte das Sisi-Syndrom im Volk bekannt machen? Anke Rohde, Leiterin des Bereichs Gynäkologische Psychosomatik des Universitätsklinikums Bonn, erklärte sich bereit, behilflich zu sein. Im August 1998 flog sie von Frankfurt nach Mallorca und sprach auf einem "Forum" zum Sisi-Syndrom, das SmithKline Beecham im Castillo Hotel Son Vida in Palma veranstaltete. Gegen ein stattliches Honorar berichtete Rohde von psychopathologischen Untersuchungen des angeblichen Syndroms. Ihre Auftraggeber waren angetan, zwei Monate später durfte sie wieder ran. Auf einer von der Pharmafirma veranstalteten Pressekonferenz im Hotel Sacher Wien sprach Rohde über "Kaiserin Elisabeth (Sisi) als Prototyp eines verkannten Patientenbildes". Nach Rohde trat ein weiterer Meinungsbildner auf, ein Psychologe namens Hans-Ulrich Wittchen. Allein in Deutschland seien etwa drei Millionen Menschen vom Sisi-Syndrom betroffen. Die Pressekonferenz war ein voller Erfolg. Tatsächlich gelang es, das Sisi-Syndrom der Öffentlichkeit als neues Leiden zu verkaufen. In der Folge äußerte Rohde sich auf Veranstaltungen und in Pressemitteilungen über menopausale und prämenstruelle Störungen, und zwar für GlaxoSmithKline und Wyeth. Auch Wittchen blieb der Industrie treu und fuhr gut damit. Er leitet heute das Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Technischen Universität Dresden und arbeitete zuletzt für sechs Pharmafirmen als Berater. Professor Wittchen ist seinen Geschäftspartnern in der Industrie auch aus einem anderen Grund lieb und teuer. Er arbeitet am "Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen" mit. Was in dem Werk steht, kann den Markt der Psychopharmaka beeinflussen. Schon kleine Veränderungen der Diagnosekriterien können große Auswirkungen auf die Verschreibungszahlen haben. Gegenwärtig arbeitet eine Kernmannschaft von etwa 160 Experten an einer neuen Fassung des Handbuchs, die sie 2013 vorlegen will. Doch dabei sitzen pharmazeutische Firmen gleichsam mit in den Beratungen: Mehr als die Hälfte der beteiligten Mediziner und Psychologen haben finanzielle Verbindungen mit der Industrie eingeräumt. Eine weitere Chance zur Manipulation bieten die medizinischen Leitlinien, die von Fachgesellschaften herausgegeben werden. Ärzte lesen darin nach, wie bestimmte Erkrankungen zu behandeln sind. Wird ein bestimmter Wirkstoff in einer Leitlinie empfohlen, bürgt das für gute Umsätze. Deshalb ist pharmazeutischen Firmen daran gelegen, Leitlinienverfasser finanziell an sich zu binden. Doch in vielen Leitlinien werden diese Verbindungen unterschlagen. Die Leitlinie "Hyperkinetische Störungen" etwa empfiehlt Wirkstoffe für Kinder, bei denen Ärzte die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) diagnostiziert haben wollen. Ein Hinweis, inwiefern die Verfasser finanzielle Zuwendungen von pharmazeutischen Firmen angenommen haben, fehlt darin. Doch genau das ist der Fall: Der beteiligte Psychologe Manfred Döpfner von der Uni-Klinik Köln hat als Berater oder Redner von Medice, Eli Lilly, Janssen-Cilag und Shire persönliche Honorare angenommen - das sind Firmen, die Mittel gegen ADHS vermarkten. Ein anderes Beispiel ist die Leitlinie für Demenzen. Matthias Riepe von der Universität Ulm hat sie mit 67 anderen Experten ausgearbeitet; keiner von ihnen gibt einen Interessenkonflikt an. Dabei ist Riepe nicht der einzige Leitlinienexperte, der finanziell mit der Industrie verbandelt ist. Hans-Christoph Diener, der Essener Neurologe mit Einkünften von 28 Firmen, gehört ebenso zu ihnen wie etliche Psychiater, die bekanntermaßen für die Industrie gearbeitet haben. Die Betroffenen spielen die finanziellen Zuwendungen herunter. Sie fühlten sich durch die Honorare nicht beeinflusst; deshalb gebe es keine Interessenkonflikte. "Das Geld ist eigentlich sekundär", sagt Diener, der sich dank seiner Industrieeinkünfte sogar einen eigenen Angestellten leisten kann. Auch die Bonnerin Anke Rohde ist sich keiner Schuld bewusst: "Es gibt Mediziner, die trotz Honoraren völlig unabhängige Vorträge halten, aber sicher auch diejenigen, die dann eher die gewünschte Meinung vertreten. Da ich glaube, zu der ersten Kategorie zu gehören, hatte ich selbst nie das Gefühl eines Interessenkonfliktes." So wie Rohde erliegen viele Mediziner dem Glauben, sie selbst seien weniger leicht zu manipulieren als der Rest der Profession. Das ergab auch eine Befragung von 208 deutschen Fachärzten zum Einfluss von Pharmavertretern. Nur sechs Prozent der Mediziner hielten sich für häufig und immer beeinflussbar - zugleich glaubten aber 21 Prozent, das treffe auf ihre Kollegen sehr wohl zu. In der Tat ist das Geld der Pharmafirmen nicht zum Fenster hinausgeschmissen, wie wissenschaftliche Studien offenbaren: Ärzte, die Geschenke bestimmter Firmen annehmen, bevorzugen deren Produkte. "Es hat wenig Sinn, der Industrie Machenschaften vorzuwerfen. Vielmehr müssen wir als Ärzte eine klare Position dazu entwickeln", sagt Klaus Lieb, der Aussteiger aus Mainz. "Wenn ein Arzt persönliche Honorare aus der Industrie annimmt, muss das offengelegt werden. Dann können andere entscheiden, ob das einen Einfluss hat oder nicht." Um das Vertrauen in die Ärzteschaft zu bewahren, hat inzwischen auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften umgedacht: Ärzte, die an Leitlinien mitschreiben, sollten Zuwendungen aus der Industrie prinzipiell offenlegen. Ob und wann diese Empfehlung aufgegriffen wird, liegt jedoch im Ermessen der jeweiligen medizinischen Fachverbände. Und die sind, wie die DGPPN, oftmals mit der Industrie verbandelt und tun sich schwer mit Transparenz. Allerdings könnte ihnen die Politik bald Beine machen. Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) bereitet derzeit einen Entwurf für ein Antikorruptionsgesetz in der Medizin vor, das Transparenz vorschreiben soll. "Ärzte müssten verpflichtet sein zu veröffentlichen, welche Zuwendung von pharmazeutischen Firmen sie bekommen haben", fordert Lauterbach. "Und andererseits müssten pharmazeutische Firmen verpflichtet sein zu veröffentlichen, an welche Ärzte sie Honorare gezahlt haben." Letzteres hat der US-amerikanische Kongress bereits beschlossen, und zwar im Physician Payment Sunshine Act: Von 2013 an müssen Pharmaunternehmen und andere Firmen alle Zahlungen an Ärzte im Netz veröffentlichen. Sofern sie Zuwendungen US-amerikanischer Unternehmen kassiert haben, wird diese Datenbank auch Meinungsbildner aus Deutschland enttarnen: mit vollem Namen und unter Angabe der einzelnen Honorare.

Source: http://www.coaching-haas.de/Spiegel_20_11_S116.pdf

Fo iii.2.1 teil 1wö-check dn2935

FO III.2.1 Teil 1 Wöchentl. Check NEF (DN 2935) Notfallrucksack Kleines Außenfach; oben rechts Bezeichnung Bemerkungen/Verfall Kleines Außenfach; unten rechts Bezeichnung Bemerkungen/Verfall Außenfach links Bezeichnung Bemerkungen/Verfall Großes Außenfach oben Bezeichnung Bemerkungen/Verfall nein (NUR NEF) nein (NUR N

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