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Rempfler · FIFA-Reglement als anationales materielles Recht?
FIFA-Reglement als anationales materielles Recht? Lic. iur. Christa Rempfler, St. Gallen
Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen hat die Klage
Streitigkeit dem «Schiedskomitee» der FIFA zu unter-
einer in der Schweiz domizilierten Spielervermittlungs-
agentur (deren Inhaber die vom Schweizer Fussballver-
«Nach Art. 22 des Spielervermittler-Reglements
band, SFV, ausgestellte Vermittlerlizenz besitzt) gegen
sind internationale Streitigkeiten zwischen einem Ver-
einen ausländischen Fussballverein abgewiesen mit der
ein und einem Spielervermittler der Spielerstatut-
Begründung, die dreieinhalb Jahre zurückliegende Pro-
Kommission der FIFA zu unterbreiten (Art. 22 Abs. 1 e
visionsforderung sei, gestützt auf Art. 22 Abs. 3 des
contrario und Art. 22 Abs. 2). Der Wortlaut dieser Be-
FIFA-Spielervermittler-Reglements vom 10.12.2000, ver-
stimmung «ist zuständig» lässt sich nicht dahingehend
wirkt. Dieser Entscheid wird nachfolgend kurz ge-
deuten, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit
würdigt (Handelsgericht des Kantons St. Gallen vom
Spielervermittlung zwingend und ausschliesslich der
12.11.2004 / HG.2003.10-HGK; noch nicht rechtskräftig
FIFA zu unterbreiten sind. Da die FIFA-Schiedskom-
– der Weiterzug an das Bundesgericht ist erfolgt).
mission nicht zwingend angerufen werden muss, ist«das Gericht» in St. Gallen zuständig.»
Sachverhalt
[III. 1.] Die Parteien haben im Vertrag vom 16.8.1999
unter Ziffer 3 rechtsgültig eine kumulative Rechtswahl
Am 16.8.1999 schlossen die Klägerin (Spielervermitt-
getroffen und somit das Regelwerk der FIFA («FIFA
lungsagentur) und der Beklagte, ein ausländischer
rules») und das schweizerische Recht als anwendbar
Fussballclub, einen Vertrag ab. Gegenstand dieser Ver-
einbarung war der Transfer des von der Klägerin ver-
[III. 2.] Es stellt sich die Frage, ob das FIFA-Regel-
tretenen Spielers X. Es wurde vereinbart, dass der Be-
werk als anationales Recht Gegenstand einer Rechts-
klagte bis am 30.9.1999 USD 15 000.– und bis am
30.12.1999 weitere USD 15 000.– bezahlt, wenn der
«Im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird
Arbeitsvertrag bis 30.6.2000 verlängert wird. Wird der
teilweise abgelehnt, dass anationales Recht gewählt
Arbeitsvertrag um zwei weitere Jahre bis 30.6.2002
werden kann, mit dem Argument, dass ein hoheitlich
verlängert, so hat der Beklagte weitere USD 30 000.–
eingesetztes Gericht immer staatliches Recht anzuwen-
bis am 30.12.2000 und nochmals USD 30 000.– bis am
den habe (VISCHER, Internationales Vertragsrecht, Bern
1962, S. 62; HEINI, Festschrift für Prof. Dr. Rudolf Mo-
Am 5.2.2003 reichte die Klägerin Klage gegen den
ser (Hrsg. Schwander), Zürich 1987, S. 71 f.; KNOEPF-
Beklagten auf Bezahlung von USD 15 000.– nebst 5%
LER, Le contrat dans le nouveau droit international
Zins seit 30.9.1999, von USD 15 000.– nebst 5% seit
privé suisse, in: Dessemontet (Hrsg.), Le nouveau droit
30.12.1999 und USD 30 000.– nebst 5% Zins seit
international privé suisse, Lausanne 1988, S. 87); von
30.12.2000 beim Handelsgericht des Kantons St. Gal-
anderen aber bejaht (PATOCCHI, Das neue internationale
Vertragsrecht der Schweiz, in: Schriftenreihe SAV Bd.
Der Beklagte blieb dem Prozess fern und behauptete
7, S. 36). Von SIEHR und AMSTUTZ / VOGT / WANG wird
demnach weder Verjährung noch Verwirkung.
die Meinung vertreten, dass für staatliche Gerichte dieWahl ausserstaatlichen Rechts präzise sei, wenn in der
Zusammenfassung der Erwägungen
konkreten Materie hinreichende Quelle für ein interna-tionales Recht des Welthandels, für ein «new law mer-
[II. 2.] Das Handelsgericht hat bezüglich Zuständigkeit
chant» oder ein transnationales Recht vorhanden seien
entschieden, dass es nicht zwingend erscheine, diese
(SIEHR, Festschrift für Max Keller zum 65. Geburtstag
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(Hrsg. Forstmoser), Zürich 1999, S. 501 f.). Wenn
Allerdings enthält das Spielervermittler-Reglement
Rechtsgrundsätze, die eine dem Rechtssicherheitsge-
für die Regelung von Streitigkeiten über nicht bezahlte
danken genügende innere Kohärenz sowie einen dem
Vermittlungsgelder keine materielle Bestimmungen.
Postulat der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung tragen-
Es ist aber geregelt, dass «Beschwerden» innerhalb
den materiellen Gehalt aufweisen wie z.B. die
von zwei Jahren nach dem Vorfall bei der Spielerstatut-
UNIDROIT Principles, so sei eine solche Verweisung
Kommission vorzulegen sind. Diese Frist ist als Ver-
zuzulassen (AMSTUTZ / VOGT / WANG, Kommentar zum
wirkungsfrist zu betrachten. Die Verwirkung ist inso-
schweizerischen Privatrecht, Basel 1996, Art. 116 N
fern von der Verjährung zu unterscheiden, als dass
erstere zum Untergang des betreffenden Rechts führt,
Das FIFA-Regelwerk kann insoweit den UNIDROIT
letztere zum Verlust der Durchsetzbarkeit (GAUCH /
Principles gleichgestellt werden, da es sowohl eine ge-
SCHLUEP /SCHMID /REY, Schweizerisches Obligationen-
nügende innere Kohärenz als auch einen materiellen
recht Allgemeiner Teil, Bd. II, Zürich 2003, N 3574).
Gehalt aufweist, der dem Postulat der Einzelfallgerech-
Art. 22 Abs. 3 des Spielervermittler-Reglements ist
tigkeit sicherlich Rechnung trägt. Zudem kann ihm
derart formuliert, dass nach zwei Jahren «Beschwer-
auch «Transnationalität» zugeschrieben werden, da der
den» nicht mehr unterbreitet werden können, was
FIFA weltweit nationale Verbände angehören, die Kraft
einem Verlust des subjektiven Rechts gleich kommt.
ihrer Mitgliedschaft die Statuten, Reglemente und Ent-
Diese Regelung erscheint nachvollziehbar, da es sich
scheide der FIFA zu befolgen haben (Art. 10 Abs. 4
bei der Spielervermittlertätigkeit um ein schnelllebiges
Geschäft handelt und die FIFA ein Interesse hat, Strei-
[III. 3.] Aufgrund dieser gültigen Rechtswahlverein-
tigkeiten in diesem Bereich rasch zu erledigen. Zudem
barung hat das Handelsgericht St. Gallen grundsätzlich
dürfte es kaum im Sinne der FIFA sein, wenn Art. 22
nicht nur schweizerisches Recht, sondern auch das
Abs. 3 des Spielervermittler-Reglements so interpre-
FIFA-Regelwerk zu berücksichtigen. Bezüglich der
tiert würde, dass die Beschwerden in den ersten zwei
streitigen Forderung ist genauer zu untersuchen, ob das
Jahren der Spielerstatut-Kommission und danach staat-
FIFA-Regelwerk als lex specialis eine adäquate Rege-
lichen Gerichten zu unterbreiten sind.
lung enthält oder ob allenfalls die Anwendung von
[III. 4.] Angesichts des Vorrangs des FIFA-Regel-
schweizerischem Recht im unterbreiteten Fall passen-
werks gegenüber dem schweizerischen Recht greift
Art. 22 Abs. 3 des Spielervermittler-Reglements und
Das speziell für die Spielervermittlung erlassene
somit auch die zweijährige Verwirkungsfrist im vorlie-
FIFA-Reglement ist gegenüber dem schweizerischen
genden Fall. […] Im Zeitpunkt der Klageeinreichung
Recht als lex specialis ausgestaltet.
am 5.2.2003 war die zweijährige Verwirkungsfrist be-
In Art. 22 des Spielervermittler-Reglements vom
reits abgelaufen, womit die Klage abzuweisen ist.»
10.12.2000, welches die Tätigkeit von Spielervermitt-lern regelt, wird festgehalten, dass bei Streitigkeiten
Bemerkungen
zwischen einem Verein und / oder einem zweiten Spie-lervermittler und einem Spielervermittler, die beim
Anationales Recht als Gegenstand einer
gleichen Verband registriert sind (nationale Streitigkei-
Rechtswahl im Sinne von Art. 116 IPRG?
ten), der betroffene Verband zuständig ist (Abs. 1). Jede andere Beschwerde, die nicht unter Abs. 1 fällt, ist
Zu der in der Lehre fraglichen und umstrittenen Frage,
der Spielerstatut-Kommission der FIFA zu unterbrei-
ob lediglich staatliches Recht oder aber auch anationa-
ten. Weiter sind die Beschwerden im Zusammenhang
les Recht (z.B. «general principles of law», internatio-
mit der Tätigkeit eines Spielervermittlers in schrift-
nale Handelsbräuche, «equity», «new law merchant»,
licher Form an den zuständigen Nationalverband bzw.
lex mercatoria usw.) Gegenstand einer Rechtswahl im
an die FIFA zu richten. Solche Beschwerden sind bis
Sinne von Art. 116 Abs. 1 IPRG sein kann, zitiert das
spätestens zwei Jahre nach den ihr zugrunde liegenden
Gericht zum einen die Lehrmeinungen von VISCHER,
Vorfällen und auf jeden Fall binnen sechs Monaten,
HEINI und KNOEPFLER (vgl. hierzu HEINI, Festschrift für
nachdem der betreffende Vermittler seine Tätigkeit
Prof. Dr. Rudolf Moser (Hrsg. Schwander), Zürich
1987, S. 71, der diese Frage gar als juristischen «outer-
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space» betrachtet). Diese Autoren lehnen die Wahl
die Parteien jede effektiv heute geltende staatliche
ausserstaatlichen Rechts (mit weiteren Literaturhin-
Rechtsordnung zur Anwendung auf ihren Vertrag her-
weisen) im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit
anziehen. Die Beschränkung auf geltende staatliche
vor allem mit dem Argument ab, dass der hoheitlich
Rechtsordnungen ergibt sich aus der Grundlage der
eingesetzte Richter verpflichtet sei, stets und immer
Rechtswahlmöglichkeit im nationalen IPR; die Kolli-
staatliches Recht anzuwenden. Wird diese Lehrmei-
sionsregeln des IPR lösen den Konflikt, der durch die
nung eingehender betrachtet, stösst man insbesondere
Kollision verschiedener staatlicher Rechtsordnungen
auf die Ausführungen von VISCHER / HUBER / OSER: Ist
entsteht; mit der Rechtswahl können die Parteien
zur Entscheidung der Streitsache ein staatliches Ge-
nichts anderes herbeiführen als es die IPR-Gesetzge-
richt zuständig, wird die Vereinbarung von ausserstaat-
bung könnte. Weder kann auf ausser Kraft getretene
lichem Recht in der Lehre vorwiegend für ungültig
noch auf künftige staatliche Gesetze verwiesen werden
erachtet. Insbesondere wird geltend gemacht, das inter-
(ausser das intertemporale Recht der betreffenden na-
nationale Privatrecht schreibe die Anwendung von
tionalen Privatrechtsordnung lasse dies zu), noch kann
«Recht» vor, worunter allein die von einem Staat oder
m.E. generell auf ausserstaatliche Normen (sog. lex
der Staatengemeinschaft erlassenen Normen zu verste-
mercatoria, Handelsbräuche der Branchen usw.) ver-
hen seien. Erst durch die staatliche Anerkennung wer-
wiesen werden (SCHWANDER, Einführung in das inter-
den Normen die Eigenschaft von Recht verliehen. Ana-
nationale Privatrecht, Zweiter Band: Besonderer Teil,
tionales Recht sei allenfalls in einem soziologischen
2. Aufl., St.Gallen / Lachen SZ, 1998, Rn. 489).
Sinne eine eigenständige Rechtsordnung. Für eine An-
Trotz diesen teils selbst zitierten Lehrmeinungen
erkennung der im internationalen Handel massgeb-
ging das Handelsgericht davon aus, dass das FIFA-
lichen Grundsätze als Recht im juristischen Sinne feh-
Regelwerk als anationales Recht Gegenstand einer
le es dagegen an einer inhaltlichen Kontrolle durch
Rechtswahl sein kann. Unter Berufung auf die Meinun-
den staatlichen Souverän, worauf kein Staat verzichten
gen von PATOCCHI, AMSTUTZ / VOGT / WANG und SIEHR
dürfe. Mangels des Charakters einer eigentlichen
führte das Gericht aus, dass das FIFA-Regelwerk inso-
Rechtsquelle befinde man sich beim Komplex der lex
weit den UNIDROIT Principles gleichgestellt werden
mercatoria im Bereich von Billigkeitsentscheidungen;
könne, da es sowohl eine genügende innere Kohärenz
eine Befugnis zur Entscheidung nach Billigkeit stehe
als auch einen materiellen Gehalt aufweise, der dem
staatlichen Gerichten aber gerade nicht zu (VISCHER /
Postulat der Einzelfallgerechtigkeit sicherlich Rech-
HUBER / OSER, Internationales Vertragsrecht, 2. überar-
nung trage. Zudem könne ihm auch «Transnatio-
beitete Aufl., Bern 2000, Rn. 118 m.w.H.). Die Vertre-
nalität» zugeschrieben werden, da der FIFA weltweit
ter der streng positivistischen Auffassung leugnen die
nationale Verbände angehören, die Kraft ihrer Mit-
Eignung von «privatisiertem» Recht als parteiautonom
gliedschaft die Statuten, Reglemente und Entscheide
berufenem Vertragsstatut zudem aus materiellen Erwä-
der FIFA zu befolgen hätten (Art. 10 Abs. 4 FIFA-Sta-
gungen. Vorgeworfen wird dem «privatisierten» Recht
ein Mangel an Voraussehbarkeit, die Lückenhaftigkeit
In kritischer Würdigung dieser gerichtlichen Erwä-
seiner Normen und die daraus folgende Unmöglich-
gungen ist vorweg zu beachten, dass gemäss Art. 1
keit, die Verhaltens- und Leistungspflichten nach ihm
Abs. 1 der FIFA-Statuten die FIFA ein im Handels-
auszurichten. Dazu komme die Unfähigkeit eines der-
register eingetragener Verein im Sinne der Art. 60 ff.
artigen Rechts, auf einen angemessenen vertraglichen
des schweizerischen Zivilgesetzbuches ist. Somit han-
Interessenausgleich, insbesondere zum Schutz Schwä-
delt es sich bei der FIFA um einen privatrechtlichen
cherer, hinzuwirken. Vor allem die Geltung des Klau-
Verein, der schweizerischem Recht untersteht. Gestützt
selrechts, der lex mercatoria, führe im Ergebnis dazu,
auf Art. 17 Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen zu
dass den Vertragsbedingungen der marktmächtigeren
den FIFA-Statuten hat das Exekutivkomitee der FIFA
Partei einseitig zum Durchbruch verholfen werde (VI-
am 10.12.2000 das hier zu würdigende Spielervermitt-
SCHER / HUBER / OSER, a.a.O., Rn. 119 m.w.H.). Zu der
ler-Reglement erlassen. Bei Durchsicht dieses ledig-
hier umstrittenen Frage, welche Rechtsordnungen im
lich 28 Artikel umfassenden Reglements ist ersichtlich,
Rahmen von Art. 116 IPRG wählbar sind, äussert
dass darin vorwiegend rein formelle Fragen und blosse
sich SCHWANDER wie folgt: Durch Rechtswahl können
Grundsätze geregelt werden, wie bspw. die Vorausset-
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Rempfler · FIFA-Reglement als anationales materielles Recht?
zungen zur Lizenzerteilung. Geht das Gericht deshalb
enthalte für die Regelung von Streitigkeiten über nicht
nicht zu weit, indem es eine innere Kohärenz und einen
bezahlte Vermittlungsgelder keine materiellen Bestim-
materiellen Gehalt des FIFA-Regelwerkes bejaht, wel-
mungen. Diese zentrale Frage ist somit vom Gericht
ches dem Postulat der Einzelfallgerechtigkeit genü-
gend Rechnung trage? An diesem fehlenden materiel-len Gehalt ändert auch die unbestrittene Tatsache
FIFA-Reglement als lex specialis?
nichts, dass der FIFA weltweit nationale Verbändeangehören und somit in einem gewissen Sinne von
Selbst wenn man der vom Gericht herangezogenen
einer «Transnationalität» gesprochen werden kann.
Lehrmeinung folgen würde und somit das FIFA-Regle-
Das Gericht möchte somit eine vom Inhalt her nur vage
ment als anationales Recht Gegenstand einer Rechts-
definierte Ordnung anwenden. Diese geschilderten Be-
wahl sein könnte, bleibt fragwürdig, weshalb das Gericht
denken müssen gar noch verstärkt werden, da das
dem FIFA-Reglement gegenüber dem schweizerischen
FIFA-Reglement nicht mit der SIA-Norm 118 ver-
Recht lex specialis-Charakter zuschreibt. Im Urteil
glichen werden kann, welche unter Mitwirkung öffent-
heisst es dazu ohne Begründung: «Das speziell für
licher Stellen ausgearbeitet wurde, von GAUCH aber
die Spielervermittlung erlassene FIFA-Reglement ist
trotzdem deutlich als «Regelwerk eines privaten Ver-
gegenüber dem schweizerischen Recht als lex specialis
eins» qualifiziert wird. Zudem führt GAUCH weiter aus,
dass die SIA-Norm 118 keine allgemeine Verbindlich-
Dieser angebliche lex specialis-Charakter des
keit im Sinne eines Gesetzes oder einer Verordnung
FIFA-Reglements gegenüber dem schweizerischen
habe und auch keine Rechtsquelle eigener Art sei, ob-
Recht vermag v.a. bei Betrachtung des Sinns und
wohl sie unter Mitwirkung öffentlicher Stellen des
Zwecks des Spielervermittler-Reglements, insbeson-
Bundes und der Kantone ausgearbeitet worden sei
dere des hier umstrittenen Art. 22 [Streitigkeiten],
(GAUCH, Der Werkvertrag, 3. Aufl., Zürich 1985, Rn.
nicht zu befriedigen. Abs. 1 dieses Artikels regelt das
219–221 und Rn. 238). Somit ist das FIFA-Reglement
hier nicht relevante Vorgehen bei nationalen Streitig-
als ein spontanes, unfertiges, in ständiger Entwicklung
keiten. Jede andere Beschwerde, die nicht unter Abs. 1
stehendes Normgefüge zu betrachten. Bezeichnender-
fällt, ist der Spielerstatut-Kommission der FIFA zu
weise ist deshalb bis heute wenig bis nichts auf dem
unterbreiten (Abs. 2). Schliesslich regelt Art. 22
FIFA-Rechtsgebiet kodifiziert bzw. kommentiert.
Abs. 3 des FIFA-Reglements, dass Beschwerden im Zu-
Wie gezeigt, beruft sich das Gericht bei der Begrün-
sammenhang mit der Tätigkeit eines Spielervermitt-
dung dieser umstrittenen Frage u.a. auf AMSTUTZ / VOGT /
lers in schriftlicher Form an den zuständigen Natio-
WANG. Bei Betrachtung dieser Literaturstelle wird aber
nalverband bzw. an die FIFA zu richten seien. Solche
ersichtlich, dass selbst diese Lehrmeinung Verweisun-
Beschwerden seien bis spätestens zwei Jahre nach den
gen auf allgemeine Rechtsgrundsätze wegen ihres ho-
ihr zugrunde liegenden Vorfällen und auf jeden Fall
hen Unbestimmtheitsgrades als problematisch erachtet
binnen sechs Monaten, nachdem der betreffende Ver-
(AMSTUTZ / VOGT / WANG, in: Honsell / Vogt / Schnyder,
mittler seine Tätigkeit aufgegeben habe, einzureichen.
(Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,
Mehr regeln Art. 22 und das gesamte FIFA-Reglement
Internationales Privatrecht, Basel / Frankfurt am Main
nicht. Ist nun diese Norm nicht als eine rein formell-
1996, N 21 zu Art. 116). Unter diesen Vorzeichen sind
rechtliche, verfahrensrechtliche Norm zu verstehen,
die Erwägungen des Gerichts eher fragwürdig.
welche über den materiell-rechtlichen Inhalt der For-
Schliesslich ist die gerichtliche Begründung bezüg-
derung nichts aussagt und somit nicht als lex specialis
lich der Frage, ob dem FIFA-Regelwerk materieller
im materiell-rechtlichen Sinne verstanden werden
Gehalt zukomme oder nicht, und deshalb als anationa-
darf und kann? So besagt Art. 22 Abs. 3 des FIFA-
les Recht Gegenstand einer Rechtswahl sein könne
Regelwerks lediglich, dass die FIFA maximal zwei
oder nicht, widersprüchlich ausgefallen. In der Erwä-
Jahre nach den ihr zugrunde liegenden Vorfällen eine
gung III. 2. bejahte das Gericht einen materiellen Ge-
Spielerstatut-Kommission für Beschwerden im Zu-
halt des FIFA-Regelwerks, in der Erwägung III. 3. letz-
sammenhang mit der Tätigkeit eines Spielervermitt-
ter Absatz führt das Gericht aber genau das Gegenteil
lers zur Verfügung stellt. Ist die zweijährige Frist ab-
aus, indem es heisst, das Spielervermittler-Reglement
gelaufen, ist die FIFA für diese Beschwerden nicht
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Rempfler · FIFA-Reglement als anationales materielles Recht?
mehr zuständig und somit das FIFA-Reglement nicht
berücksichtigen. Im vorliegenden Fall handelt es sich
mehr anwendbar. Über die Anwendbarkeit bzw.
aber gerade um eine Forderung, nämlich um ausste-
Nichtanwendbarkeit des schweizerischen Rechts sagt
hende Provisionszahlungen, weshalb die Annahme
einer Verwirkungsfrist fraglich ist. Auch das Argumentdes Gerichts, dass es sich bei der Spielervermittlertä-
Art. 22 Abs. 3 des FIFA-Spielervermittler-
tigkeit um ein schnelllebiges Geschäft handle und die
Reglements als Verwirkungsbestimmung?
Regelung in Art. 22 Abs. 3 des FIFA-Reglements nach-vollziehbar und im Interesse der FIFA liege, vermag
Doch selbst wenn dem FIFA-Reglement sogar lex spe-
eine Verwirkungsfrist nicht zu begründen. Denn auf
cialis-Charakter zukommen sollte, ist weder aus dem
der anderen Seite kann das Reglement auch rein for-
Reglement noch aus der Begründung des Gerichts er-
mell und zwar dahingehend verstanden werden, dass
sichtlich, weshalb die zweijährige Frist in Art. 22 Abs.
die FIFA zwei Jahre lang eine Kommission für Streitig-
3 des Reglements eine Verwirkungsfrist sein soll. Zum
keiten zur Verfügung stellt, welche nach Ablauf dieser
einen äussert sich das Reglement weder zur Verjährung
Frist nicht mehr angerufen werden kann. Ist diese zwei-
noch zur Verwirkung. Zum andern sagt das rein for-
jährige Frist abgelaufen, so hat sich die FIFA nicht
mell-rechtliche Reglement – wie bereits erwähnt – nichts
mehr um diese Streitigkeiten zu kümmern und ist des-
Materielles darüber aus, wenn die «Beschwerde» erst
halb auch nicht davon betroffen bzw. interessiert, ob
nach zwei Jahren nach dem Vorfall bei der Spielersta-
die Forderung danach staatlichen Gerichten unterbrei-
tut-Kommission vorgelegt wird. Das Reglement be-
tet werden kann oder nicht. Es bleibt unklar, weshalb
stimmt lediglich, dass in diesem Falle die Spielerstatut-
nach Meinung des Gerichts deshalb eine Verwirkungs-
Kommission der FIFA nicht mehr zuständig ist. Indem
frist vorliege, weil es kaum im Sinne der FIFA sein
das Gericht daraus aber sogleich implizit folgert, dass
könne, Art. 22 Abs. 3 des Reglements dahingehend zu
dies einem Verlust des subjektiven Rechts gleich-
interpretieren, dass Beschwerden in den ersten zwei
komme und somit diese zweijährige Frist als Verwir-
Jahren der Spielerstatut-Kommission und danach staat-
kungsfrist zu betrachten sei, ist fragwürdig und vermag
lichen Gerichten zu unterbreiten seien. Schliesslich
nicht zu überzeugen. Zur Begründung dieser doch
führte das Gericht in der Erwägung II. 2. selbst aus,
wichtigen Frage verweist das Gericht lediglich auf eine
dass diese Streitigkeit nicht zwingend dem Schieds-
Literaturstelle und zwar auf GAUCH / SCHLUEP / SCHMID /
komitee der FIFA zu unterbreiten sei. Im Übrigen
REY, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner
verstösst es gegen schweizerische Rechtsgrundsätze,
Teil, Bd. II, 8. Aufl., Zürich 2003, Rn. 3574. In dieser
wenn im nationalen Recht eine Provisionsforderung
vom Gericht herangezogenen Randnote heisst es aber
nach zehn Jahren verjährt (Art. 412 Abs. 2 OR mit Ver-
auch, dass der Verwirkung vor allem andere Rechte als
weis auf Art. 394 ff. bzw. Art. 127 OR; BGE 81 II 365
Forderungen unterstehen. Vgl. hierzu auch die Faustre-
E.3), bei der FIFA hingegen gemäss FIFA-Reglement
gel, dass Forderungen verjähren und Gestaltungsrechte
aber schon nach zwei Jahren verwirkt. Auch nach der
verwirken (SCHWENZER, Schweizerisches Obligatio-
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den Allgemei-
nenrecht, Allgemeiner Teil, Bern 1998, Rn. 83.05).
nen Geschäftsbedingungen bzw. zur Ungewöhnlich-
Schliesslich heisst es in dem vom Gericht herangezo-
keits- und Unklarheitsregel bleibt es somit mehr als
genen Lehrbuch GAUCH / SCHLUEP / SCHMID / REY wei-
fraglich, ob eine solche vage Bestimmung wie Art. 22
ter, der Richter habe die Verwirkung auch ohne Einrede
des Spielervermittler-Reglements einen zehnjährigen
im technischen Sinn (aber doch nur auf Antrag oder
Rechtsanspruch gemäss staatlichem Recht zu beseiti-
Behauptung des Schuldners hin) von Amtes wegen zu
causa sport 3/4/2004
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