Arztpraxis Anton Kellner Zähringer Straße 9 66119 Saarbrücken Tel.: 0681 - 5 34 91 Der besondere Fall Familie B: - die Kraft der kognitiven Umstrukturierung oder: „Alles wird gut .“
Herr B., heute 59 Jahre alt, ist Sparkassenangestellter und arbeitet in einem Spannungsfeld zwischen
mobbenden Vorgesetzten und nervenden Kunden, was ihm trotz jahrzehntelanger Berufserfahrung
Herr B. kam 1992 als erster aus der Familie B. als Patient zu mir. Er suchte Rat wegen seines
Übergewichtsdiabetes, der seit 1990 bekannt war und der mit einem Sulfonylharnstoff unbefriedigend
eingestellt war. Ferner hatte er einen schlecht kontrollierbaren Hypertonus. Er schien sehr um seine
Gesundheit besorgt und äußerte höchste Bereitschaft, vorgeschlagene Therapieverbesserungen
umzusetzen. Nach medizinischer Untersuchung empfahl ich ihm dringend, Fett abzunehmen
(Ausgangsgewicht 104 kg bei 173 cm, – BMI 35 kg/qm). Nach eingehender Ernährungsberatung durch
meine Frau Hannelore nahm B. mit INSUmed Trinknahrung 6 kg Fett bei stabiler Körperzellmasse ab
und konnte dann bei optimaler Glykämie das orale Antidiabetikum absetzen. B. war zufrieden und
wurde zu einem treuen Langzeitpatienten. Nach neuerlicher Gewichtszunahme ondulierte sein
Körpergewicht seit 1994 mit erstaunlicher Präzision zwischen 105 und 107 kg. Dies war vorrangig auf
die Progression des Diabetes mit unzureichender Stoffwechseleinstellung zurückzuführen. Versuche
medikamentöser Optimierung brachten keine überzeugenden Ergebnisse: Titrierung von Metformin bis
2500 mg pro Tag, zusätzliche Gabe eines Glinids, Verabreichung eines Glitazons und schließlich
zusätzliche Gabe eines NPH-Insulins zur Nacht ließen den HbA1c-Wert nie unter 8,0 % sinken. Der
Patient war mit der Stabilität seines Gewichts sehr zufrieden („ ich kann alles essen und nehme nicht
zu“). Wiederholte Schulungen und Motivationsgespräche mündeten regelmäßig im Resümee: „also
noch fettärmer/kalorienärmer/kohlenhydratärmer kann ich doch nicht mehr essen .“ Auch die
Botschaft, dass die Gewichtsstabilität lediglich auf die schlechte Blutzuckereinstellung zurückzuführen
war („die überschüssigen Kalorien werden rausgepinkelt“) kam nicht an. Vor diesem Hintergrund war
auch nicht verwunderlich, dass der Hypertonus mit einer Kombination aus ACE-Hemmer, Sartan,
Bisoprolol, Amlodipin und Moxonidin in der jeweiligen Höchstdosis versorgt war, ohne dass der
Zielbereich auch nur annähernd erreicht wurde.
Man kann nun nicht behaupten, dass Herr B. desinteressiert war und sich nicht um seine Krankheiten
gekümmert hätte. Dagegen spricht alleine die Zahl von 96 BIA-Messungen, die er über die Jahre
absolvierte. Er ließ sich auch von allen Seiten bezüglich etwaiger Folgekomplikationen regelmäßig
untersuchen und belehren (Augenarzt, Neurologe, Kardiologe, Nephrologe). Es gab nur einfach für alle
Beteiligten keinen effektiven Aufhänger, der die Entwicklung gewendet hätte. So war es dann nur
logisch, dass ich B., zuletzt auf intensivierte Insulintherapie, zunächst mit kurzwirksamem Normalinsulin,
dann mit einem kurzwirksamen Analogon plus NPH-Insulin umgestellt habe. B. selbst maß subjektiv
bessere Blutzuckerwerte, der HbA1c-Wert ging nach der vorherigen Verschlechterung auf 10 %, auf die
gewohnten Werte um 8 % zurück. Allerdings nahm B. durch die Umstellung nun 10 kg Körperfett in 9
Monaten zu und erreichte so 2006 sein bisheriges Höchstgewicht von 116 kg.
1999 begab sich seine heute 57 Jahre alte Frau, die ebenfalls adipös war (114 kg bei 172 cm, BMI 39
kg/qm), 30 Zigaretten pro Tag rauchte und unter rezidivierenden Gastritiden, einer Colitis ulcerosa in
Remission, Bluthochdruck und Polyarthrose litt, in unsere Behandlung.
Ihr Blutdruck wurde mit einer adipositasadaptierten Medikamentenkombination (ACE-Hemmer plus
niedrig dosiertes HCT statt Betablocker plus höher dosiertes HCT) optimiert eingestellt. Sie nahm mit
INSUmed Trinknahrung 5 kg Fett ab. In der Folgezeit wurde sie hauptsächlich wegen Rücken- und
Gelenkschmerzen sowie Bauchbeschwerden vorstellig, stabilisierte aber ihr Gewicht über die Jahre bei
108 bis 110 kg durch intermittierenden Einsatz von INSUmed Trinknahrung. Weitere Gewichtsabnahme
war nach ihrer Ansicht unmöglich, weil sie „für die Familie kochen müsse und ihre Männer immer
deftiges Essen von ihr verlangten“.
Mike, den einzigen Sohn, lernten wir im Alter von 11 Jahren kennen. Er hatte damals ein Gewicht von
69 kg bei 151 cm und kam auf Druck der Eltern, die sehr wohl die beginnende Adipositasentwicklung
erkannten. Er besuchte eine Realschule in der 5. Klasse und war ein eher schlechter Schüler. Unsere
Ratschläge und motivierenden Gespräche blieben ohne Resonanz. Die Mutter klagte darüber, dass ihr
der Sohn „die Haare vom Kopf fresse“, er habe einen „Bärenhunger und schlinge doppelte
Erwachsenenportionen in sich hinein“. Beim Saubermachen finde sie immer leere Riesentüten von
Kartoffelchips und Gummibärchen unter dem Bett. Der Vater stellte fest, dass sein Sohn faul sei, sich
überhaupt nicht bewege und ihm vor allem auch nicht bei notwendigen Arbeiten am
Wochenendhäuschen in Frankreich helfe, das die Familie sich gekauft hatte. Mike sitze in seiner freien
Zeit nur am Computer und surfe im Internet. Die Eltern versuchten Verhaltensänderungen mit Druck
und Verboten durchzusetzen. Der Vater habe Mike einmal in seiner Verzweiflung sogar die Internetkarte
aus dem PC ausgebaut. Im Lauf der Jahre schritt die Gewichtsentwicklung des Knaben voran. Er kam
in großen Zeitabständen immer dann in die Praxis, wenn den Eltern ein neuerlicher Gewichtsschub
ohne adäquates Längenwachstum unheimlich erschien. Bei jedem Besuch wurden wichtige Botschaften
vermittelt, Vereinbarungen über Ziele und Wege getroffen und von Seiten des Knaben wurde Einsicht
bezüglich dringend notwendiger Verhaltensmodifikation gezeigt. Regelhaft waren bei den wenigen
Folgebesuchen kurzfristige Verbesserungen zu beobachten, die nach maximal 4 Wochen wieder
aufgegeben wurden, indem der Patient auf Tauchstation ging. Der Knabe nahm exzessiv an Gewicht
zu: 2000: 92 kg bei 171 cm, 2002: 120 kg bei 178 cm, 2004: 143 kg bei 182 cm, 2006: 160 kg bei 185
cm. Die schulischen Leistungen veränderten sich umgekehrt proportional zur Gewichtsentwicklung: er
flog nach einigen Ehrenrunden von der Realschule, ging dann auf eine Gesamtschule, wo er nach
mehreren Anläufen die mittlere Reife schaffte. Derzeit ist er auf einer Fachoberschule, wo er nun mit 20
Jahren in der 11. Klasse das Fachabitur anstrebt.
Wiederholt wurden stationäre Adipositastherapien beantragt, u. a. in der Klinik Insula in Strub, einer
renommierten Klinik für Adipositastherapie von Kindern und Jugendlichen, sowie in anderen
Spezialkliniken. Diese Therapien wurden jedoch nie realisiert, da die Mutter ihrem Sohn die lange
Trennung nicht zumuten wollte und der Vater befürchtete, Mike würde dann den Anschluss in der
Gesundheitlich ging es mit dem Knaben bergab.
Regelmäßig durchgeführte Stoffwechseluntersuchungen ließen im Verlauf ansteigende und zuletzt
exzessiv überhöhte Insulinspiegel nüchtern und nach Glucosebelastung als Indiz für Insulinresistenz
und drohenden Diabetes mellitus erkennen. Eine latente Hypothyreose auf der Basis einer
Autoimmunthyreoiditis wurde mit L-Thyroxin eingestellt, die Einnahme des Hormons erfolgte jedoch
nicht regelmäßig, so dass eine stabile Euthyreose nie erreicht werden konnte. Wegen Tagesmüdigkeit,
Hypertonie und schlechter Schulleistungen habe ich bei Verdacht auf Schlafapnoe wiederholt eine
schlafmedizinische Untersuchung empfohlen, die aber ebenfalls nicht durchgeführt wurde. Auch eine
medikamentöse antihypertensive Therapie mit einem ACE-Hemmer bei Blutdruckwerten bis 160/110
mm Hg in Ruhe wurde nicht konsequent durchgeführt. So drehte sich das Karrusell immer weiter in
Richtung chronisches Siechtum, spätere Erwerbslosigkeit und frühe Invalidität, wäre nicht ein Wunder
Im März 2007 hatte Mike mit 175 kg bei 185 cm sein absolutes Kampfgewicht erreicht. Er kam wegen
schlechter Schulleistungen im laufenden Schuljahr in eine neue Klasse:
Der Klassenlehrer erkannte, dass Mike große Probleme hatte und schlug ihm verschiedene
Fördermaßnahmen vor. Außerdem gab es in der Klasse ein Mädchen, das sich wiederholt mit Mike
Nun plötzlich schien ein innerer Schalter umgelegt zu sein: er kam regelmäßig in unsere Praxis und
saugte uns förmlich aus, was Informationen über kalorienreduziertes Essen und körperliches Training
Mike aß streng fettreduziert, nahm abends wenig Kohlenhydrate zu sich (Steak und Salat) und fing an,
wie ein Abreißkalender abzunehmen. Dies war keine Überraschung, denn wir hatten zuvor seinen
Ruheenergieumsatz durch indirekte Kalorimetrie mit 3360 Kcal pro Tag bestimmt und er nahm nun
täglich etwa 1500 Kcal mit eiweißbetontem, kohlenhydratbegrenztem und fettoptimiertem Essen zu sich!
Nachdem er von April bis November 2007 25 kg abgenommen hatte, spendierte ihm der Vater ab
Januar 2008 ein Abonnement im Fitnessstudio. Nun ging es richtig los. Mike ging 4 x pro Woche zum
Training, machte jeweils 1 Stunde Kraft- und 1 Stunde Ausdauertraining. Nun schoss er zeitweilig über
das Ziel hinaus. Phasenweise hungerte er bzw. nahm nur 2 Mahlzeiten pro Tag zu sich. Der Zellanteil
ging von 53 % auf 49 % zurück. Es war allerdings einfach, ihm als Sportler, der ja Muskelmasse
aufbauen wollte, die Konsequenzen zu verdeutlichen. Er entschied sich dann, 1 Mahlzeit pro Tag mit
bestform-Trinknahrung zu ergänzen. Bis Mitte März 2008 hat Mike nun insgesamt 40 kg Gewicht
abgenommen. Ein neuerlich durchgeführter oraler Glucosetoleranztest mit BCM-adaptierter
Glucosemenge, zeigte nun einen Rückgang des 1-Stunden Insulins von 276 auf 75 mE/l und des 2-
Stunden-Insulins von 337 mE/l auf 52 mE/l. Insulinresistenzassoziierte silente Inflammation
(Normalisierung des hochsensitiven CRP), Fettstoffwechselstörung (Rückgang der freien Fettsäuren,
des oxidierten LDL, der Triglyceride, Anstieg des HDL-Cholesterins) und prokoagulatorischer Zustand
(Rückgang von PAI-1, Fibrinogen) normalisierten sich ebenso wie ein hypogonadotroper
Hypogonadismus (Anstieg des Testosteron von 330 auf 680 ng/dl). Der Blutdruck liegt derzeit ohne
medikamentöse Therapie im Normalbereich. Die Schilddrüsenfunktion ist mit regelmäßiger Einnahme
von 50 ug L-Thyroxin pro Tag im euthyreoten Bereich. Der junge Mann wirkt nicht nur äußerlich wie
ausgewechselt. Er geht selbstbewusst und aufrecht mit stolz- und trainingsgeschwellter Brust und
kommt in der Schule besser zurecht, obwohl er die Zeit, die er nicht mehr vor Fernseher und PC-
Monitor verbringt, nun im Fitnessstudio trainiert.
Dieses Empowerment wurde nun allerdings den Eltern unangenehm, denn der Sohn fing an, zu Hause
Druck auf die Gestaltung der gemeinsamen Mahlzeiten auszuüben.
Hinzu kam, dass der Vater Anfang 2008 zwei Mal nacheinander, mit subjektiv sehr unangenehmen
Blutdruckkrisen, notfallmäßig in das Städtische Klinikum eingeliefert wurde. Er bekam nochmals eine
Ausschlussdiagnostik bezüglich sekundärer Hypertonie (Phäochromozytom usw.) und lernte, dass unter
Klinikbedingungen der Blutdruck normoton war und der Blutzucker mit der Hälfte der Insulindosis
optimal führbar war. Nach der ersten Entlassung gingen Blutdruck und Zucker über das Wochenende
jeweils wieder drastisch in den roten Bereich und B. kam postwendend wieder in die Klink. Nachdem B.
nochmals von dritter Seite über seine Risikofaktoren informiert worden war und ihm klar wurde, dass
nach einer letzten antihypertensiven Optimierung (Titration mit Minoxidil anstelle von Moxonidin) auch
therapeutisch kein großer Spielraum mehr bestand, ließ der Patient endlich der Erkenntnis Raum, dass
Lebensstilfaktoren bei seinen Problemen mit im Spiel waren. Nun war B. bereit, ernsthaft
Verhaltensänderungen beim Essen und Trinken umzusetzen. Ein Schwerpunkt war hierbei die
Einschränkung des Salzverzehrs, da sich zeigte, dass regelmäßig nach dem Genuss größerer
Portionen Brot mit Wurst und Fleischwaren Blutdruckspitzen auftraten. Nun nahm B. auch seine Frau
mit ins Boot, die ja für das Kochen zuständig war. Zum nächsten Beratungsgespräch bei meiner Frau
brachten die Beiden einen großen Sack mit leeren Packungen von Fertiggerichten mit. Meine Frau
machte mit den B.`s eingehende Etikettenkunde. Erstmals nach vielen Jahren kamen Fakten auf den
Tisch: so war es zunächst nicht möglich, von tiefgefrorenem Rahmspinat auf fettärmeres Gemüse
umzustellen, weil man noch 20 Portionen auf Vorrat hatte. Für die Soße einer Bratenmahlzeit benutzte
die Frau 10 Päckchen einer Fertigsoße. So gab es viel Optimierungspotential. Frau B., die angeblich ja
immer so gekocht habe, weil ihre Männer das von ihr gefordert hätten, beschwerte sich allerdings, dass
das Essen nun nicht mehr schmecke, wohingegen Ehemann und Sohn angaben, mit der Umstellung
zufrieden zu sein. Auch das Einkaufen dauere jetzt Stunden, da man jede Packung genau unter die
Dennoch ließ sich Frau B. darauf ein, beim Kochen weitere Verbesserungen in kleinen Schritten zu
Mittlerweile bewegt sich die ganze Familie wieder in einem ruhigeren Fahrwasser: der Vater hat 5 kg
abgenommen und zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, Blutdruckwerte zwischen 120/80 und 130/85 mm
Hg, der HbA1c-Wert liegt bei 6,5 % mit akzeptablen Blutzuckerexkursionen. Mike ist weiter voll motiviert
und wird wohl die Versetzung in der Schule schaffen. Ob er später seinen Berufswunsch, Polizist zu
werden, verwirklichen kann, wird sicher auch von seiner weiteren Gewichtsentwicklung abhängen. Die
Mutter hat seit Januar 2008 6 kg abgenommen und ihr niedrigstes Gewicht seit 1999.
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