Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zum Sport und körperlichem Training bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen H. Worth und A. Meyer (federführend), H. Folgering, D. Kirsten, J. Lecheler, H. Magnussen, K. Pleyer, S. Schmidt, M. Schmitz, K. Taube, R. Wettengel Korrespondenz: Prof. Dr. med. H. Worth Medizinische Klinik I, Klinikum Fürth Jakob-Henle-Str. 1, 90766 Fürth Telefon: 0911-7580-101, Fax: 0911-7580-141
Zahlreiche Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen leiden bei körperlicher Belastung unter Atemnot. Sie neigen deshalb dazu, körperliche Anstrengungen zu meiden. Körperliche Inaktivität führt aber zu einer Dekonditionierung des Herz-Kreis- lauf-Systems, der Muskulatur, zur Begünstigung einer Osteoporose und zu einer Ab- nahme oder mangelhaften Entwicklung der koordinativen Fähigkeiten,die wiederum den Bewegungsmangel begünstigen. Diese verhängnisvolle Spirale endet in einer erheblichen körperlichen Schwächung mit negativen Auswirkungen auf Lebensqualität und Morbidität des Betroffenen. Mit Hilfe der Sport- und Bewegungstherapie sollen somatische und psychische Folgen der Erkrankung überwunden werden. Durch Ökonomisierung der Herz- und Kreis- lauffunktion und der Bewegungsabläufe infolge des Trainings lassen sich Leistungsfä- higkeit und Lebensqualität verbessern. Obwohl positive Effekte von Sport und körperlichem Training gut dokumentiert sind, ist die Zahl aktiver Sportgruppen für Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen in Deutschland bisher noch gering. Nach einer Analyse von Butt et al. (2) sowie Pleyer et al. (26) existieren derzeit nur ca. 100 bis 150 aktive Lungensportgruppen. Die vorliegenden Empfehlungen stellen die positiven Effekte von Sport und körper- lichem Training bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen dar, beschrei- ben die notwendigen Voraussetzungen für die Teilnahme am Lungensport und Hilfen für die Überwachung des Sportprogramms. Aufbau von Übungsstunden bzw. Trai- ningsprogrammen werden in Abhängigkeit vom Schweregrad der Atemwegserkrankung dargestellt. Schließlich werden Hinweise für den Aufbau und die Organisation ambulanter Lungensportgruppen gegeben. Effekte von Sport und Bewegungstherapie bei obstruktiven Atemwegserkrankun- gen Die Belastbarkeit von Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen kann durch die Atemwegsobstruktion selbst und die hiermit verbundene erhöhte Atemarbeit einge- schränkt sein. Außerdem wird die Leistungsfähigkeit durch eine dynamische Überblä- hung der Lunge bei gesteigerter Ventilation infolge der exspiratorisch betonten Strö- mungslimitierung der Atemwege begrenzt, ferner durch eine Ermüdung der Atemmus- keln oder insbesondere bei Patienten mit COPD durch eine Störung des respiratori- schen Gasaustausches. Die positiven Effekte einer Bewegungstherapie und von kör- perlichem Training sollen für das Asthma bronchiale und die chronisch obstruktive Bronchitis mit und ohne Lungenemphysem (COPD) unter Berücksichtigung der cha- rakteristischen Unterschiede beider Krankheitsbilder dargestellt werden. Asthma Die Beziehung zwischen Asthma und Sport ist in besonderem Maße dadurch kompli- ziert, daß körperliche Belastung selbst über einen physikalischen Stimulus (Wasser- verlust, Wärmeverlust) unmittelbar zur Obstruktion beitragen und damit eine sportliche Betätigung zur Negativerfahrung des Asthmatikers (Anstrengungsasthma) werden kann. Aufgrund einesAnstrengungsasthmas vermeiden vor allem Kinder stärkere körperliche Belastungen, wodurch ihre körperliche Leistungsfähigkeit weiter abnimmt. Mangelnde körperliche Betätigung mündet in reduzierte Leistungsfähigkeit. Körper- liches Training führt hingegen bei Asthmatikern und Gesunden zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit, verbunden mit einem Anstieg der Sauerstoffaufnahme, des Sauer-
stoffpulses und einer Verschiebung der anaeroben Schwelle zu höherer Belastungs- intensität. Im Verlauf des Trainingsprogramms nehmen bei einer definierten Belastung die Lac- tatkonzentration im Blut und die Ventilation ab. Die Kenngrößen der Lungenfunktion unter Ruhebedingungen verändern sich hingegen allenfalls geringfügig. Ein wesent- licher Effekt des Trainings ist die Abnahme der Belastungsdyspnoe (6,7), die eine zentrale Bedeutung für die Lebensqualität der Patienten hat. Für den Aufbau und die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei Gesunden wird international eine Belastung von mindestens 20 Minuten mit einer Pulsfrequenz von anfangs 50%, nach 2-3 Wochen mindestens 75% des WHO-Sollwertes in einer Häufigkeit von mindestens 3 x pro Woche empfohlen (10,20). Ob diese Empfehlung auch für ambulante Asthma-Sportgruppen von Asthmatikern Gültigkeit hat, ist bisher nicht geklärt. Es ist allerdings nachgewiesen, daß bei Patienten mit geringer Kondition auch ein einmal pro Woche durchgeführtes Training bei der empfohlenen Herzfrequenz langfristig zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit führen kann (21,23). Dabei spielt auch der Signaleffekt des Trainings bezüglich einer gesunden Lebensführung eine Rolle (11). Der langsamere Aufbau der Kondition hat zudem den Vorteil, daß eine höhere Trainingsfestigkeit erreicht wird und damit größere Aussichten auf die Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit und die Integration des Sportes in das Alltagsleben eines chronisch Kranken bestehen. Die kindliche Entwicklung wird auch durch die körperliche Leistungsfähigkeit geprägt. So fühlen sich Kinder in erster Linie dann behindert, wenn sie beim Sport und Spiel mit Gleichaltrigen nicht mithalten können. Diese Entwicklung wird durch Negativerlebnisse, Unerfahrenheit, Ängstlichkeit , auch Sorgen mancher Eltern bezüglich sportlicher Akti- vitäten ihrer asthmakranken Kinder und den häufig unbegründeten Ausschluß asthma- kranker Kinder vom Schulsport begünstigt, der zumeist auf einen ungenügenden Wissensstand der Schulsportlehrer über das Asthma zurückzuführen ist (22). Durch die Inaktivität entsteht infolge einer Absenkung der Schwelle, bei der ein An- strengungsasthma ausgelöst wird, ein Circulus vitiosus, der das Kind in seiner körper- lichen, sozialen und geistigen Entwicklung beeinträchtigt. Dabei hängt das Ausmaß der Konditionsschwäche eher von einem stärkeren Dyspnoeempfinden der Asthmatiker sowie von psychologischen Faktoren ab als vom Schweregrad der Obstruktion (7, 18). Durch gezieltes körperliches Training werden bei asthmakranken Kindern nicht nur die Schwelle für das Auftreten einer anstrengungsbedingten Obstruktion heraufgesetzt, sondern insbesondere auch Selbstvertrauen und Selbstmanagement der Erkrankung verbessert. Die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit führt zu einer besseren sozialen Integration. Sportlich aktive asthmakranke Kinder weisen zudem weniger Exa- cerbationen und einen geringeren Medikamentenverbrauch auf (17, 29). COPD Die Effekte körperlichen Trainings bei Patienten mit COPD sind durch mehrere rando- misierte und kontrollierte Studien belegt (3, 4, 12, 15, 16, 19, 27). So ließen sich eine bessere Effizienz der Atmung mit Abnahme von Atemfrequenz, Totraumventilation und
O2 -Verbrauch bei vergleichbaren Belastungen nachweisen (4). Mit körperlichem Trai- ning lassen sich eine Steigerung von maximaler körperlicher Belastbarkeit, Gehstrecke und Ausdauer dokumentieren, ferner eine Steigerung der Lebensqualität sowie eine Reduktion krankheitsbedingter Symptome. Ungeklärt ist bisher, ob durch körperliches Training bei COPD-Patienten auch die Lebenserwartung positiv beeinflußt werden kann (11,13). Deshalb sind Sport und körperliches Training ein fester Bestandteil in der Rehabilitation von Patienten mit COPD (15). Voraussetzungen für die Teilnahme am Lungensport Vor der Teilnahme an Sport- oder Trainingsprogrammen sollte vom Arzt geprüft wer- den, ob der Patient durch den Sport potentiell gefährdet wird. Die Teilnahme am Lun- gensport hängt vom Schweregrad der funktionellen Beeinträchtigung durch die ob- struktive Atemwegserkrankung, von Begleiterkrankungen, insbesondere des Herz- Kreislauf-Systems sowie von der Möglichkeit einer ärztlichen Dauerüberwachung ab. In Tab. 1 sind wesentliche Voraussetzungen zur Teilnahme am Sport in ambulanten Gruppen, in Tab. 2 die Ausschlußkriterien aufgeführt. Hervorzuheben ist, daß im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen unter ärztlicher Aufsicht bei Patienten mit einer Belastungshypoxämie ein körperliches Training unter O2-Gabe durchaus sinnvoll sein kann. Eine derartige Trainingsmöglichkeit besteht in ambulanten Sportgruppen in der Regel jedoch nicht. Untersuchungen vor Aufnahme in den Lungensport Die Diagnostik vor Teilnahme am Lungensport umfaßt eine körperliche Untersuchung, eine Lungenfunktionsprüfung unter Einschluß eines Bronchospasmolyse-Tests, eine arterielle Blutgasanalyse, ein Ruhe-EKG und bei Erwachsenen ein Belastungs-EKG, ein Röntgenbild der Thoraxorgane sowie fakultativ einen standardisierten Test zur Analyse der Leistungsfähigkeit (7). Für die Teilnahme am Lungensport im Kindesalter ist ein Test zur Diagnostik eines Anstrengungsasthma notwendig (7); ein Belastungs- EKG oder eine Spiroergometrie sind hingegen nicht erforderlich. Alle Befunde sollten nicht älter als 3 Monate sein. Der Belastungstest vor Aufnahme in die Sportgruppe dient neben der Beurteilung der Leistungsfähigkeit auch der Analyse von Ursachen einer eingeschränkten Belastbarkeit und ist neben Tests zur Analyse der koordinativen Fähigkeiten, die der Übungsleiter durchführt, für die individuelle Festlegung von Trainingsprogrammen sehr hilfreich. Zur Objektivierung von Trainingseffekten können neben spiroergometrischen Kenn- größen wie der maximalen Sauerstoffaufnahme und der Bestimmung der anaeroben Schwelle sowie Messungen der Muskelkraft, z.B. durch ein Handdynamometer auch der 6-Minuten- oder 12-Minuten-Gehtest herangezogen werden. Der 12-Minuten- Gehtest weist eine gute Korrelation zwischen maximaler Gehstrecke und maximaler Sauerstoffaufnahme auf. Als Protokoll für die spiroergometrische Untersuchung eignet sich eine Rampenbelastung mit Ruhephase, 3-minütiger Belastung im Leerlauf und anschliessend minütlicher Steigerung der Belastung, so daß eine maximale Leistung nach etwa 10 Minuten erreicht wird. Während der Ruhephase vor Belastung, der Bela- stung im Leerlauf, der Belastungsphase und der anschließenden Erholungsphase sol-
len Kenngrößen der Ventilation, des Gasaustausches, EKG, Herzfrequenz und Blut- druck minütlich gemessen werden. Die Belastung sollte bei einer Herzfrequenz abge- brochen werden, die für Erwachsene oberhalb der Differenz (190 minus Lebensalter) liegt oder dann, wenn die Belastung auf der Borg-Skala als hochgradig empfunden wird. Weitere Abbruchkriterien sind den Empfehlungen zur Durchführung und Be- wertung von Belastungstests in der Pneumologie zu entnehmen (9).
Zusätzlich sollte das Ausmaß der Atemnot unter körperlicher Belastung mit Hilfe der Borg-Skala bzw. visueller Analogskalen vom Patienten selbst ermittelt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Dyspnoeempfinden nach Angaben der Borg-Skala oder anderer Skalierungen des Leistungs- und Dyspnoeempfindens mit physiologischen Meßgrößen nicht übereinstimmen muß. Zur Verlaufsbeurteilung der Effekte des Sports, etwa in 6-monatigen Abständen, sollten bei Asthmatikern auch Tagebücher mit Peak-Flow-Protokollen, Daten zur Medikation und subjektive Befindlichkeitsskalen, bei allen Patienten mit obstruktiven Atemwegser- krankungen Lungenfunktionsprüfungen im Längsschnitt sowie spiroergometrische Un- tersuchungen eingesetzt werden. Auswahl des Sportprogramms in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung Für Patienten mit Asthma ist eine dem Schweregrad der Erkrankung angepaßte me- dikamentöse Therapie (29) und eine stabile Phase ihrer Erkrankung zu fordern. Die täglichen Schwankungen der Peak-Flow-Werte sollten weniger als 20% betragen, der Peak-Flow sollte oberhalb 80% des individuellen Bestwertes liegen. Liegt ein An- strengungsasthma vor, sollten 15 - 30 Minuten vor Beginn des Trainings ein kurzwirk- sames Beta2-Sympathomimetikum (±DNCG) inhaliert oder 24-Stunden vorher ein Anti- Leukotrien eingenommen werden, falls dessen Wirksamkeit auf das Anstren- gungsasthma nachgewiesen wurde. ErwachsenePatienten, die bei der spiroergometrischen Untersuchung mehr als 80% ihrer alters- und geschlechtsbezogenen maximalen Solleistung erreichen, können grundsätzlich das übliche Breitensportangebot örtlicher Sportvereine nutzen. In diese Gruppe fallen in der Regel Patienten mit leichtgradigem Asthma bronchiale oder COPD. Unter Berücksichtigung genügend langer (mindestens 10 Minuten) Aufwärm- phasen und Nutzung einer effektiven Prämedikation gilt dies auch für asthmakranke Kinder.Grundsätzlich sind Ausdauersportarten wie Laufen, Schwimmen, Wandern, Tanzen, Fahrradfahren oder Spielsportarten ohne Wettkampfcharakterbesser geeig- net als Kampf- oderKraftsportarten. Ein Anstrengungsasthma wird von allen unter- suchten Sportarten am geringsten durch Schwimmen induziert. In Abhängigkeit von der gewählten Sportart sind als Belastungsintensität 60 % - 70 % der maximalen Herzfrequenz ((220 - Alter (J)) für ein Trainingsprogramm anzustreben. Entscheidend ist das subjektive Empfinden der Belastung (Borg Skala). Wettkämpfe sind nur für Patienten geeignet, die zuvor ausreichend Erfahrungen mit sportlicher Betätigung gesammelt haben und in der Lage sind, die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit sicher einzuschätzen.
Bei Patienten mit allergischem Asthma ist zu berücksichtigen, daß während der Aus-übung des Sportes keine Allergenexposition vorliegen sollte. Patienten, die 50 - 80% ihrer alters- und geschlechtsbezogenen maximalen Solleistung erreichen, sind gut geeignet für eine Teilnahmein ambulanten Rehabilitationssport-gruppenunter ärztlicher Betreuung. Sie weisen in der Regel ein mittelschweres Asthma auf. Patienten, die weniger als 50% ihrer Solleistung erreichen, sind nurfür das Training in ambulanten Sportgruppen unter Leitung speziell ausgebildeter Sportleh-rer/Übungsleitergeeignet. Zuvor ist ein individuelles Programm zum Aufbau der Lei-stungsfähigkeit im Rahmen einer stationären Rehabilitation hilfreich. Im Anschluß daran muß eine Integration in eine ambulante Sportgruppe angestrebt werden, um die Fortschritte, die etwa im Rahmen einer stationären Rehabilitation erreicht wurden, langfristig zu sichern und zu steigern. Sinnvoll sind für diese Patienten mit meist schwerem Asthma ein Training peripherer Muskelgruppen zur Steigerung von Kraft und Ausdauer, Atemübungen. Gehen in maximal tolerablem Tempo, evtl. unter Kontrolle der Sauerstoffsättigung bei Belastungshypoxämie. Bei der Auswahl des Sportprogrammes für asthmakranke Kinder sind der Schweregrad der Erkrankung, der Entwicklungsstand des Kindes und die Notwendigkeit, daß das Sportprogramm für eine langfristige Anwendung auch Freude machen soll, zu berück-sichtigen (14). Der Schwerpunkt sollte auf die Koordination und im Jugendalter neben leichtem Ausdauertraining auch auf Krafttraining gelegt werden. Bei schwerer Beein-trächtigung durch das Asthma sind zumindest primär Sportarten wie Schwimmen, Wandern und Koordinationstraining empfehlenswert, bei geringerer Beeinträchtigung durch das Krankheitsbild können Sportarten mit guter externer Steuerung der Be-lastungsintensität (Tanzen, Laufen, Radfahren) oder auch Spiele bzw. Judo eingesetzt werden. COPD-Patienten leichten Schweregrades (FEV1 > 60% des Sollwertes) können das Training von Ausdauer und Koordination sowie Atemübungen in ambulanten Lungen-sportgruppen durchführen. An Trainingseffekten sind eine Steigerung der aeroben Kapazität sowie eine Abnahme des Lactatspiegels bei gleicher Belastung wie vor dem Training zu erwarten. Beim mittleren Schweregrad (FEV1 zwischen 40% und 60% des Sollwertes) liegen häufig Limitierungen der ventilatorischen Kapazität, Störungen der Atemmuskelfunktion und eine Einschränkung des Gasaustausches vor. Bei diesen Patientenkann mit Hilfe eines Intervall-Trainings sowie des Trainings von Atem- und Armmuskeln Effizienz und Koordination der trainierten Muskeln gesteigert, das Dyspnoeempfinden gesenktund damit die Lebensqualität gebessertwerden (13). Auch diese Patienten können in ambulanten Lungensportgruppen, jedoch in An-wesenheit eines Arztes, trainiert werden. Selbst bei starker funktioneller Beeinträch-tigung (FEV1 unter 40% des Sollwertes) wird über positive Trainingseffekte mit und ohne O2-Atmung mit intensiven Trainingsprogrammen berichtet (5,25,28). Diese Pa-tienten sind für ambulante Lungensportgruppen ohne ständige ärztliche Anwesenheitjedoch ungeeignet. Sie sollten zunächst einer stationären Rehabilitation zugeführt werden.
Aufbau einer Trainingseinheit Ziel des Trainings ist die bessere Bewältigung von Alltagsbelastungen durch Verbesse- rung von Koordination und Kondition, Abbau der Angst der Patienten vor Belastungen und die Stärkung des Selbstbewußtseins. Deshalb gehören zum Training von Kondi- tion, Koordination, Psychomotorik und Spielfähigkeitauch Elemente der Atemtherapie. Ein Beispiel zu dem Ablauf einer Trainingseinheit ist in Tab. 3 dargestellt. Die Patien- ten müssen lernen, auch bei stärkerer Belastung ihre Atmung zu kontrollieren. Die ambulante Trainingseinheit beginnt vor dem Aufwärmen mit einer Kombination aus Gruppengespräch und Schulung. Im Gruppengespräch wird der aktuelle Gesundheitszustand der Teilnehmer ermittelt. Die Schulung dient der Informationsvermittlung und Wiederauffrischung von Selbst- hilfemaßnahmen, ferner dem Einüben günstiger Verhaltensweisen zur Vermeidung krankheitsbedingter Beeinträchtigungen. Die eigentliche Trainingseinheit beginnt mit der kontrolliertenAufwärmphase, um eine Anpassung der Atmung an eine höhere Belastung zu ermöglichen und die Beein- trächtigung des Trainings durch eine belastungsinduzierte bronchiale Obstruktion zu vermeiden oder zu minimieren. In der sich anschließenden Gymnastikphase werden Kräftigungs- und Dehnübungen zur Verbesserung der Körperhaltung durchgeführt. Häufig bestehen Fehlhaltungen und Verspannungen im Schultergürtel, die dadurch vermindert werden können. Hauptinhalt der Behandlungsphase ist das Training von Ausdauer und Koordination. Art, Dauer und Intensität der Ausdauerphase richten sich nach dem Schweregrad und der Momentanleistungsfähigkeit des Teilnehmers. Die Übungen zum Koordinationstraining richten sich nach den vorhandenen koordinativen Fähigkeiten der Teilnehmer.Der zeitliche Umfang dieser Phase sollte 20 Minuten nicht unterschreiten. Das Training sollte anfänglich in Form von Langzeitintervallen, später als Dauertraining erfolgen. Daran schließt sich eine Einheit mit Gymnastik und Atemtherapie an. Schwerpunkte dieses Trainingsabschnitts sind Übungen zur Beruhigung der Atmung. Die Übungsein- heit muß mit einer Cool-Down-Phase enden, in der auch Entspannungsübungen, Dehnübungen und langsames Laufen zum Einsatz kommen. Die Steigerung der Belastbarkeit bei Patienten mit COPD kann durch ein Training der Beinmuskeln, etwa im Rahmen eines Gehtrainings oder eines Ergometertrainings bei einer Trainingsintensität von mehr als 60% der maximalen Belastung erwartet werden. Durch ein spezielles Training lassen sich darüberhinaus Kraft und Ausdauer der Arm- muskeln trainieren. Diese Effekte sind bezüglich der Alltagsaktivitäten allerdings weniger ausgeprägt als beim Training der Beinmuskeln (13). Atmung gegen Wider- stände mit einer Feedback-Kontrolle kann zur Steigerung von Kraft und Ausdauer der Inspirationsmuskeln und der körperlichen Belastbarkeit herangezogen werden (8). Angaben zur Trainingsintensität und zur Trainingsdauer
Für Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen ist nach zahlreichen Unter- suchungen der letzten Jahre ein Training oberhalb oder in der Nähe der anaeroben Schwelle (60 - 75% der maximalen Belastung) mit den größten Trainingseffekten ver- bunden (4). Ein derartiges Training führt zur Reduktion der Lactatproduktion und der Ventilation bei submaximaler Belastung, ferner zu einem Anstieg oxidativer Enzyme in der peripheren Muskulatur (13). Ähnlich deutliche Effekte werden bei einem Training mit geringer Intensität in Zeit- räumen von 4 - 12 Wochennicht erreicht. Die Trainingsdauer sollte hierbei bei minde- stens 20 bis 30 Minuten liegen. Bei schwerer COPD (FEV1 < 40% des Sollwertes) sollte allerdings ein Intervall-Training durchgeführt werden. Zur Aufrechterhaltung von Trainingseffekten ist ein tägliches Training effizienter als eine nur einmal pro Woche durchgeführte sportliche Aktivität. Dauerhaft erreichbar und damit langfristig wirksam ist in aller Regel allerdings auch ein einmal wöchentlich stattfindendes Training. Die ambulanten Sportgruppen können zur dauerhaften Auf- rechterhaltung der während stationärer Rehabilitationsprogramme erreichten Trai- ningseffekte beitragen. Organisation und Struktur ambulanter Sportgruppen Grundlage für die Förderung von ambulantem Sport in Gruppen ist der § 43 des SGB V. Die Krankenkassen könnenals ergänzende Leistung den Rehabilita- tionssport fördern, den der behandelnde Arzt den Versicherten verordnet und der in Gruppen unter ärztlicher Betreuung ausgeübt wird. Der § 43 SGB V wird spezifiziert in der Gesamtvereinbarung über den ambulanten Rehabilitationssport und das Funktionstraining, die zwischen dem Deutschen Behin- dertensportverband sowie den Landesfachverbänden und den Kassenärztlichen Ver- einigungen auf Bundes- bzw. Landesebene geschlossen wurde (1). Die Förderung ist eine freiwillige Leistung der Krankenkassen und wird in der Regel für 2 Jahre gewährt. In schweren Fällen kann eine Dauerförderung notwendig sein.
Organisation Träger des Rehabilitationssportes sind in der Regel auf Bundes- und Länderebene die Behindertensportverbände. Diese Aufgabe kann aber auch von jeder anderen Organi- sation übernommen werden, sofern sie Vertragspartner sind. Veranstalter der Lungen- sportgruppen sind meist die ortsansässigen Sportvereine, die meist bereits eine Ab- teilung „Rehabilitationssport“ unterhalten, zu der z.B. auch der Herzsport und die Rückenschulen gehören. Die Anbindung an den Sportverein bietet verschiedene Vor- teile. Die Erkrankten sind während der Sportstunden versichert, die Infrastruktur des Vereins kann genutzt und der Übergang in den Breitensport erleichtert werden. Räumliche und personelle Voraussetzungen Die Sportstunden sollen in gut klimatisierten, vor allem staubarmen Räumen stattfin- den, die nicht kleiner als 200 qm sind und somit Platz für eine Gruppe für 10 - 15 Teil-
nehmer bieten. Als Grundausstattung sind gymnastische Handgeräte sowie Liegemat- ten erforderlich. Die Ausstattung kann individuell durch Pezzi-Bälle, Therabänder und ähnliches ergänzt werden. Für Notfälle sollte ein Telefon in erreichbarer Nähe sein. Ferner wird eine Notfallapotheke empfohlen, die vom Arztregelmäßig überprüft wird. Der Inhalt dieser Apotheke ist in Tab. 4 aufgeführt. Ferner müssen die Sportgruppen von einem speziell ausgebildeten Übungsleiter (Fachübungsleiter/Sportlehrer) angeleitet und von einem Arzt betreut werden. Die Aus- bildung der Übungsleiter kann durch den Behindertensportverband der Bundesländer erfolgen und nimmt je nach Vorkenntnissen zwischen 60 und 150 Unterrichtseinheiten in Anspruch. Neben theoretischen Grundlagen wird hier vor allem auch die Umsetzung des Sports in der Gruppe vermittelt. Finanzierung der Sportgruppe Eine Sportgruppe trägt sich bei regelmäßiger Teilnahme von 12 Patienten. Der Er- krankte leistet einen Eigenanteil in Höhe des Mitgliedsbeitrages für den Sportverein. Die Krankenkassen unterstützen die Teilnahme an den Sportgruppen mit z.Zt. DM 7,-- pro Teilnehmer und Stunde. Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist der Antrag auf Förderung von Rehabilitations- sport/Funktionstraining, der vom behandelnden Arzt ausgestellt und bei der Kranken- kasse anschließend -zur Bewilligung vorgelegt wird. Die Teilnahme am Rehabilita- tionssport wird regelhaft für die Dauer von 6 Monaten verordnet. Dann ist eine Folge- verordnung erforderlich. Die Formulare für dieVerordnungen können bei den Kran- kenkassen angefordert werden. Sicherheitsmaßnahmen für die Teilnahme von Patienten mit obstruktiven Atem- wegserkrankungen in ambulanten Sportgruppen Eine Präsenz des Arztes ist in ambulanten Sportgruppen für Teilnehmer mit leichter funktioneller Beeinträchtigung nicht erforderlich. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß bei der Auswahl der Patienten diejenigen mit schwerer Funktionseinschränkung von den ambulanten Sportgruppen primär ausgeschlossen werden. Patienten mit erheblicher Funktionseinschränkung sollten einem individuellen Training in Anwesenheit eines Arztes unterzogen werden. Dies gilt sowohl für die instabile Atemwegsobstruktion als auch für Patienten mit erhöhtem kardialen Risiko. Bei geringgradigen Funktionsstörungen der Patienten in der Sportgruppe genügt die direkte Rufbereitschaft eines die Gruppe betreuenden Arztes. Neben der Not- fallapotheke sollten Infusionsbesteck und Ambubeutel vorhanden sein. Es sollten Möglichkeiten zur raschen Benachrichtigung des Notarztwagens und eine freie Zufahrt zur Sportstätte gewährleistet sein. Eine regelmäßige Fortbildung über Notfallmaß- nahmen ist Aufgabe der betreuenden Ärzte, wobei Übungsleiter und Patienten einzu- beziehen sind. Aufgaben des Arztes bei der Betreuung ambulanter Sportgruppen für Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen Wesentliche Aufgaben des Arztes sind die Eingangsuntersuchung der Patienten und die Überprüfung der Aufnahmekriterien zur Teilnahme am Lungensport. Hierbei werden neben der pulmonal bedingten Funktionseinschränkungen insbesondere auch das Herz-Kreislauf-System untersucht. Mit Hilfe der Ergebnisse der Belastungsun- tersuchungen können Trainingsprogramm und Belastungsintensität individuell vom Übungsleiter in Kooperation mit dem betreuenden Arztfestgelegt werden. Für die Teilnahme in ambulanten Sportgruppen genügen weniger spezifische Empfehlungen. Eine Selektion sollte unter Berücksichtigung der FEV1-Werte, der arteriellen Blutgase, des Vorliegens eines pulmonalen Hochdrucks und kardiovaskulärer Risiken erfolgen. Bei Vorliegen einer Hyperkapnie besteht ein erhöhtes Risiko für sportliche Betätigun- gen. Bei Vorliegen einer manifesten pulmonalen Hypertonie sind Trainingseffekte eher nicht zu erwarten. Sollte der arterielle pO2 unter 55 mmHg in Ruhe liegen, ist eine körperliche Belastung mit Sauerstoffzufuhr zu empfehlen. Das Training kann in diesen Fällen auf einem Ergometer mit einem tragbaren O2 -Gerät erfolgen unter Einsatz eines Pulsoximeters. Zur Etablierung einer effizienten Gruppengröße können Asthmatiker und COPD-Patien- ten gemeinsam trainieren. Die Trainingsziele müssen für beide Gruppen dann jedoch häufig unterschiedlich definiert werden. Als eigene Gruppen sollten Patienten mit schwerer COPD zusammengefaßt werden, ebenso jugendliche Patienten und Kinder mit Asthma bronchiale. Arzt, Übungsleiter oder Sportlehrer können vor, während und nach dem ambulanten Sportprogramm mit den Patienten Schulungsmaßnahmen durchführen, die den Erfolg der Teilnahme an den Sportgruppen unterstützen. Eine weitere Aufgabe des Arztes besteht in der Behandlung von Notfällen. Schlußfolgerungen Sport und körperliches Training sind wesentliche Komponenten des Managements von Patienten mit Asthma bronchiale und COPD. Körperliches Training im Rahmen von stationären und ambulanten Rehabilitationsprogrammen führt zu einer Steigerung der körperlichen Belastbarkeit, zu einer besseren Bewältigung der Anforderungen des Alltags und zu einer Zunahme der Lebensqualität. Bei Patienten mit schwerer funktio- neller Beeinträchtigung erlaubt ein individuell abgestimmtes Trainingsprogramm im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme eine Steigerung der körperlichen Belast- barkeit. Die Aufrechterhaltung von positiven Trainingseffekten, die insbesondere während stationärer Rehabilitationsmaßnahmen erreicht wurden, ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn auch danach zumindest einmal pro Woche eine sportliche Aktivität stattfindet. Hierzu eignen sich die ambulanten Sportgruppen für Patienten mit obstruktiven Atem- wegserkrankungen. In den vorliegenden Empfehlungen sind die essentiellen Gesichts- punkte für die Einrichtung und Organisation ambulanter Sportgruppen sowie für die Auswahl und Betreuung von Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen in ambulanten Sportgruppen dargestellt. Tabelle 1
Voraussetzungen zur Teilnahme in ambulanten Lungen-Sportgruppen
1. Mindestbelastbarkeit von 50 Watt (> 0,7 Watt/kg KG) über 3 min im
steady state von Herzfrequenz und Atmung (30 min nach Inhalation von 2 Hüben eines kurz wirksamen Beta2-Sympathomimetikums)
2. FEV1 > 60 % Soll 3. Arterieller pO2 > 55 mmHg unter Belastung (50 Watt) 4. Systolischer Blutdruck < 220 mmHg, diastolischer Blutdruck < 120
5. keine Ischämiezeichen oder bedrohliche Rhythmusstörungen während
Tabelle 2 Ausschlußkriterien für die Teilnahme von Patienten am ambulanten Lungensport 1.
Hämodynamisch wirksame Herzrhythmusstörungen
Unzureichend eingestellte arterielle Hypertonie
Bedeutsame respiratorische Partialinsuffizienz (paO2 < 50 mmHg bzw. SaO2 < 80% in Ruhe)
Zustand nach Dekompensation eines Cor pulmonale
Rechtsherzbelastung bei pulmonaler Hypertonie in Ruhe (pulmonal-arterieller Mitteldruck > 20 mmHg)
10. Hochgradige Osteoporose* 11. Höhergradige Lungenfunktionseinschränkung: FEV1 < 50 % des
Sollwertes, FEV1 < 60 % des Sollwertes nach Bronchospasmolyse
12. Belastbarkeit auf dem Ergometer < 50 Watt 13. Instabiles Asthma bronchiale, exacerbierte COPD 14. Medikamentös nicht einstellbares Anstrengungsasthma 15. Starkes Übergewicht (BMI > 35) * *
Patienten mit diesen Kriterien sollten speziellen Sportprogrammen zugeführt werden
Tabelle 3 Beispiel für den Ablauf einer Übungsstunde (60 Min.) Gruppengespräch (Schulung) Einleitungsphase Peak-Flow-Messung Aufwärmen/funktionale Vorbereitungs- Gymnastik Peak-Flow-Messung (bei Kindern) Ausdauer oder Hauptphase Koordination Nachbereitungs Gymnastik/Atemtherapie Entspannung/Dehnlagen Ausklang Peak-Flow-Messung Insbesondere bei asthmakranken Kindern ist ein häufigerer Wechsel von Komponenten der Haupt- und Nachbereitungs- phase (Intervallprinzip) sinnvoll.
Tabelle 4 Inhaltsliste: Notfallapotheke Blutdruckmeßgerät, Taschenlampe, Stethoskop, Beatmungsmaske und Ambubeutel. Pflaster, Betaisodonasalbe, Verbandsbinde, Kompressions- platten 10 x 10, Vinylhandschuhe. Stauschlauch, Braunülen grün und rosa, Butterfly, Nadel für subcutane Injektion, 5ml + 10ml Spritzen, Alkoholtupfer, 250 ml 0,9% NaCl plus Infusionsbesteck. Medikamente: Antiasthmatika: Kardiaka: Solosin 2ml Trinkampullen Dosier-Aerosole mit kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika (Salbutamol, Fenoterol, Terbutalin) plus Inhalationshilfe Atrovent DA Prednison/Prednisolon Tbl. Solu-Decortin H100-Amp Theophyllin-Ampullen a 200mg Bricanyl oder Salbulair zur Injektion 1 Antihistaminikum, z.B. Tavegil
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